Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Titel: Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Passig , Aleks Scholz
Vom Netzwerk:
wasserreiche Himmelskörper, zum Beispiel Meteoriten oder Eiskristalle, die Erde erst relativ spät mit Wasser belieferten. Andere Forscher bauen die Erde aus mehreren kleinen Planetenembryos zusammen, von denen einige Wasser mitbringen. Alle Ansätze sind problematisch. Manchmal kommt zwar Wasser an, aber es verschwindet sofort wieder, manchmal kommt auch Wasser an, aber nur, wenn man großes Glück hat, manchmal klappt es auch überhaupt nicht. Und weil umstritten ist, wie und wann Wasser auf die Erde kam, ist auch fraglich, ob die Herstellung von Aminosäuren auf der frühen Erde funktionierte, selbst wenn es eine passende Atmosphäre gegeben haben sollte.
    Aber ginge es nicht auch viel einfacher? Diese Frage taucht vermehrt auf, seitdem in der Nähe von Murchison, einer Provinzstadt in Australien, im Jahr 1969 ein Meteorit herunterfiel, ein außerirdischer Felsbrocken, dessen Weg die Erde kreuzte – im Prinzip nichts anderes als eine besonders große Sternschnuppe. Überraschenderweise enthielt der Murchison-Meteorit jede Menge Aminosäuren, also genau die Dinge, die man bisher versuchte, mit Chemie auf der Urerde herzustellen. Es ist denkbar, dass ähnliche Meteoriten die frühe Erde mit den Bestandteilen des Lebens belieferten. Das klärt natürlich nicht im mindesten, wie denn die Aminosäuren in die Felsbrocken aus dem All gerieten.
    Nimmt man einmal an, dass auf irgendeine Weise Aminosäuren und weitere Grundbestandteile des Lebens auf die Erde kamen, so stößt man sofort auf die nächsten Rätsel. Aminosäuren sind gut und nützlich, aber noch lange kein Leben. Am Ende sollen daraus Kolibris und Gummibäume entstehen, oder wenigstens zunächst einmal so schlichte Lebensformen wie Bakterien. Die Weiterentwicklung von organischen Molekülen (wie Aminosäuren) zu den ersten Lebensformen ist ebenfalls ungeklärt. Es ist kaum möglich, in Kürze alle Argumente darzustellen, die für und wider verschiedenste Theorien dieser sogenannten chemischen Evolution abgewogen werden. Seit den 1980er Jahren sind Modelle populär, in denen die dazu erforderlichen Prozesse in unmittelbarer Nähe von heißen Tiefseequellen ablaufen, etwa an Orten, wo vulkanische Lava ins Meer fließt. Andere Theorien bevorzugen eher normale Temperaturen in einer Umgebung, die abwechselnd nass und trocken ist, im Watt zum Beispiel. Auch was im ersten Schritt der chemischen Evolution aus den Aminosäuren wird, ist unklar. Das Grundproblem lässt sich wie folgt umreißen: Wie man aus Aminosäuren komplexere Bausteine zusammensetzt, steht in der genetischen Datenbank des zu bauenden Lebewesens, der DNA. Die aber gibt es ja noch gar nicht. Es ist eine verfahrene Situation: Um die Gebrauchsanweisung zusammenzubauen, braucht man die Gebrauchsanweisung. Eine moderne Variante, diesem Teufelskreis zu entkommen, ist die sogenannte «RNA-Welt», in der ein vielseitiger chemischer Baustein namens RNA gleichzeitig die Funktion von Architekt und Bauarbeiter übernimmt, auf primitive Art und Weise zwar, aber immerhin. Wo auch immer das geschehen und wie es abgelaufen sein mag: Am Ende der chemischen Evolution enstand LUCA, der gemeinsame Vorfahr von Mensch, Mücke und Mikrobe.
    LUCA muss ein einzigartiges Wesen gewesen sein, denn alle nachfolgenden Lebewesen funktionieren genau wie er, auf der Grundlage von Eiweißen und DNA. Rätselhaft ist allerdings, ob die chemische Evolution lediglich LUCA hervorbrachte oder gleich noch eine ganze Reihe anderer Urlebewesen. Die erste Variante würde bedeuten, dass der Prozess der Hervorbringung von Lebensformen nicht sonderlich robust ist und Leben im Universum somit ein eher seltenes Phänomen darstellt. Das können wir weder bestätigen noch widerlegen, weil wir da draußen bisher niemandem begegnet sind. Wenn aber am Anfang mehrere verschiedene Lebensformen entstanden, hat LUCA dann alle seine Mitbewohner ausgerottet? Und wenn ja, warum sollte er so etwas Ungehöriges tun? Weder LUCA noch seine hypothetischen Konkurrenten hinterließen Tagebücher, die uns über die dunklen Machenschaften in den ersten 600 Millionen Jahren der Erdgeschichte aufklären könnten.
    Bevorzugt wird heute eine Theorie, nach der es auf der frühen Erde verschiedene Lebensansätze gab, von denen einige vollkommen anders funktioniert haben könnten als alles, was heute in der Welt herumläuft. Aber nur einer von ihnen, unser Vorfahr LUCA, überlebte ein gewaltiges Massenaussterben vor etwa 3,9 Milliarden Jahren, zum Beispiel, weil er ein

Weitere Kostenlose Bücher