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Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Titel: Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Passig , Aleks Scholz
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den meisten Figuren handelt es sich um nackte Frauen) schloss man, dass das Manuskript in einem europäischen Land irgendwann zwischen 1450 und 1520 entstanden ist. Frühester Beleg für die Existenz des Textes ist allerdings ein Brief von 1639, in dem der Prager Alchemist Georg Baresch den Jesuiten Athanasius Kircher um Hilfe bei der Entschlüsselung bittet. Dieser erst in den 1970er Jahren veröffentlichte Brief befreite gleichzeitig Voynich von dem hin und wieder geäußerten Verdacht, er habe das Manuskript selbst produziert. Genauere Angaben zum Ursprung des Textes fehlen bis heute.
    Das Manuskript wurde mittlerweile mit allen Mitteln der modernen Computerlinguistik analysiert. Das Ergebnis: Offenbar folgt es statistischen Grundregeln natürlicher Sprachen, die erst im 20. Jahrhundert wissenschaftlich beschrieben wurden – unwahrscheinlich, dass Fälscher im 16. Jahrhundert derart vorausschauend dachten. Andererseits enthält der Text kaum Wörter, die regelmäßig in derselben Gruppierung auftauchen, und er weist für natürliche Sprachen untypische Wortwiederholungen auf. Insgesamt ist der Wortschatz des Textes ungewöhnlich klein – aber auch das sollte noch keinen Anlass zum Misstrauen geben, sonst müssten viele zeitgenössische Bestseller als Fälschungen gelten.
    Die folgende Ansammlung von Deutungsversuchen ist nur eine kleine Auswahl und zeigt zum einen die Hilflosigkeit, zum anderen den bemerkenswerten Einfallsreichtum der Voynich-Experten. William Romaine Newbold, ein Philosophieprofessor an der University of Pennsylvania, verkündete 1921 als Erster, er habe das Manuskript entschlüsselt. Jeder Buchstabe enthalte winzige Striche, die nur unter dem Vergrößerungsglas zu erkennen seien und eine alte griechische Kurzschrift darstellten. Der Text stamme tatsächlich – wie schon Voynich zu beweisen versucht hatte – aus der Feder des englischen Philosophen und Wissenschaftlers Roger Bacon und beschreibe unter anderem die Erfindung des Mikroskops. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass es sich bei den angeblichen mikroskopischen Schriftzeichen um natürliche Risse in der verwendeten Tinte handelte.
    Einen anderen kreativen Deutungsversuch legte 1978 der Amateurphilologe John Stojko vor. Er behauptete, der Text sei auf Ukrainisch mit weggelassenen Vokalen verfasst und handle von einem Bürgerkrieg. Leider passte seine Übersetzung weder zu den Illustrationen im Manuskript noch zur ukrainischen Geschichte. 1987 schrieb der Physiker Leo Levitov den Text den Katharern zu, einer Ketzersekte aus dem mittelalterlichen Frankreich; der Wortschatz sei ein Gemisch aus flämischen, altfranzösischen und althochdeutschen Elementen. Der Autor James Finn dagegen geht in seinem 2004 erschienenen Buch «Pandora’s Hope» davon aus, dass der Text in leicht verschlüsseltem Hebräisch verfasst ist – wie viele andere Interpretationen eröffnet auch dieses System praktisch unbegrenzte Deutungsmöglichkeiten des Textes. Der Linguist Jacques Guy vermutete, es könnte sich um eine asiatische Sprache handeln, die in einem erfundenen Alphabet niedergeschrieben wurde. Das ist nicht einmal unplausibel und passt auch gut zur Wortstruktur des Dokuments; andererseits sehen die Illustrationen gänzlich unasiatisch aus. Ende 2003 dann äußerte der Pole Zbigniew Banasik die Vermutung, man habe es mit mandschurischem Klartext zu tun. Banasik selbst konnte allerdings gar kein Mandschurisch, und kompetente Sprecher des Mandschurischen haben sich bisher nicht zu Wort gemeldet.
    Schließlich kam es 2003 zum vorläufig letzten öffentlich diskutierten Deutungsversuch. Der britische Psychologe und Informatiker Gordon Rugg bewies in seiner Freizeit, dass sich ein Text mit vergleichbaren Eigenschaften mit Hilfe einer Tabelle fiktiver Vorsilben, Wortstämme und Suffixe herstellen lässt, die unter Verwendung einer Papierschablone kombiniert werden. Solche Schablonen, sogenannte Cardan-Gitter, wurden bereits Mitte des 16. Jahrhunderts zur Verschlüsselung von Texten benutzt. Ruggs Ergebnisse wurden in der Presse vielfach als Lösung des Voynich-Problems gefeiert, beweisen aber lediglich, dass es theoretisch möglich gewesen wäre, mit den damaligen Mitteln einen vergleichbaren Text in kurzer Zeit herzustellen. Ob es sich tatsächlich so zugetragen hat, ist weiterhin unklar. Rugg selbst äußert sich auf seiner Website verhalten: Er persönlich sei der Meinung, dass es sich wahrscheinlich um eine Fälschung handle. Finanziell hätte

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