Liaden 3: Gestrandet auf Vandar
Regenbogen‹«, sagte er mit leiser Stimme. »Sie dient dazu, Geist und Körper zu entspannen, um die Konzentrationsfähigkeit und das Denkvermögen zu stärken. Menschen, die unter Stress stehen oder verstört sind, machen Fehler. Eine dauernde innere Anspannung raubt einem die Lebensfreude, und deshalb muss man danach trachten, diesen belastenden Zustand aufzuheben. Wir müssen dem Leben so viel Qualität wie möglich abgewinnen – und der Regenbogen hilft, dieses Ziel zu erreichen.« Er merkte, wie seine Stimme den richtigen Rhythmus annahm, sprach dieselben Worte, mit denen viele Jahre zuvor Clonak ter’Meulen ihn unterwiesen hatte.
»Und jetzt«, fuhr er fort, »stelle dir die Farben des Regenbogens vor, eine Nuance nach der anderen: Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Purpur, Violett; benutze die Botschaft, die jede dieser Schattierungen dir mitteilt, um ein Stückchen mehr abzuschalten. Wenn du das Ende des Regenbogens erreicht hast, wirst du dich sehr behaglich fühlen, dir ist warm, es kommt dir ein bisschen so vor, als würdest du schweben. Danach stellst du dir in Gedanken eine Treppe vor. Ganz langsam steigst du die Stufen herunter. Unten, am Fuß der Treppe, befindet sich eine Tür; durch sie gehst du hindurch.« Er wölbte eine Braue. »Jetzt weißt du, was passieren wird. Können wir anfangen?«
Miri zog die Stirn kraus. »Willst du mich hypnotisieren?«
»Nein. Ich helfe dir nur, dich zu entspannen. Jeder Regenbogen, den sich eine Person vorstellt, ist einzigartig. Ich kann dir den Weg zeigen, weil die Farbfolge oberflächlich betrachtet ähnlich ist. Aber der Regenbogen, der in deiner Fantasie entsteht, gehört dir ganz allein, Cha’trez. Und diese geistige Übung ist nicht gefährlich. Wenn du dich unwohl fühlst oder einfach nicht weitergehen möchtest, machst du einfach die Augen auf. Du entscheidest, nicht ich.«
»Schön. Ich hab’s kapiert.« Sie schloss die Augen, um sie gleich darauf wieder zu öffnen. Während Val Con mit ihr gesprochen hatte, hatte sie ihre linke Hand abermals zur Faust geballt. Nun öffnete sie die Finger und sah ihn mit einem schiefen Grinsen an. Sie seufzte. »Lass uns jetzt anfangen. Wir werden ja sehen, ob deine Methode auch bei mir wirkt.«
»Wie du willst.« Er lächelte. »Mach die Augen zu, Miri, und atme tief ein. Versuche, an nichts Spezielles zu denken, sondern lass den Gedanken einfach freien Lauf…« Auch er schloss kurz die Augen, suchte nach dem richtigen Rhythmus und den passenden Worten. Clonak ter’Meulen, ging es ihm durch den Sinn, du gerissener alter Mann. Ich frage mich, wo du jetzt sein magst.
»Miri«, hob er mit sanfter Stimme an. »Stelle dir bitte die Farbe Rot vor. Fange sie mit deinem geistigen Auge ein. Sag mir Bescheid, wenn du so weit bist.«
»Jetzt«, erwiderte sie prompt.
»Gut. Halte das Bild fest; lass zu, dass es sich in deinem Kopf ausbreitet und all diese kleinen, halb ausgegorenen Gedanken verdrängt. Konzentriere dich voll und ganz auf das Rot. Außer Rot gibt es nichts anderes mehr. Es verströmt Wärme und ein Glücksgefühl, füllt deinen Geist vollständig aus.
Und nun«, fuhr er nach einer kurzen Pause fort, »lass das Rot durch deinen gesamten Körper fließen; der Strom bewegt sich von deinem Kopf aus nach unten, bringt dir wohlige Entspannung und erwärmt dich; das Rot strömt durch dein Gesicht, deinen Hals, deine Schultern – lockert deine Muskeln und hebt deine Stimmung …«
Auf diese Weise führte er sie langsam und sachte durch die Farben des Regenbogens; er sah, wie sich ihre Verspannung löste, ihre Züge weicher wurden und der Atem sich beruhigte. Bei den Farben Gelb und Purpur erinnerte er sie daran, so wie Clonak einst ihn erinnert hatte, dass sie jederzeit die Augen öffnen und in die Gegenwart zurückkehren konnte, falls sie dies wollte, aber sie zog es vor, dem einmal eingeschlagenen Weg zu folgen.
»Jetzt konzentrierst du dich auf die Farbe Violett«, sagte er leise. »Sie steht am Ende des Regenbogens. Wie fühlst du dich, Cha’trez?«
»Es geht mir gut«, murmelte sie mit undeutlicher Stimme. »Als würde ich auf einer warmen, weichen Wolke schweben. Ich fühle mich geborgen.« Sie lächelte ein bisschen. »Ich bin froh, dass du mir diesen Weg gezeigt hast. Es ist, als sei ich dir dadurch nähergekommen.«
Er nickte nachdenklich. »Das ist gut so. Und nun schau dich um, Miri. Siehst du die Treppe?«
»Ich stehe auf der obersten Stufe«, erwiderte sie ohne die geringste Spur von
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