Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liberator

Liberator

Titel: Liberator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
Vom Netzwerk:
Waffe auf sie gerichtet.
    »Zu spät«, knurrte Gart und verlangsamte sein Tempo. Als sie das Katapult erreicht hatten, von dem das eine Seil hinübergeschossen worden war, befand sich das Trio etwa dreißig Schritte entfernt, mitten über dem Abgrund. Bei dem Katapult standen fünf Dreckige, eine von ihnen war eine große muskulöse Frau mit blonden Haaren und einer roten Armbinde.
    »Warum habt ihr nicht gewartet, Dalley?«, fragte Gart. »Ich hatte doch gesagt, ihr sollt sie zurückhalten, bis ich wieder da bin.«
    Dalley hob die Schultern. »Sie ließ sich aber nicht zurückhalten. Oder sollten wir etwa auf ein Ratsmitglied schießen?«
    Mr. Gibber bewegte sich kauernd wie ein Affe vorwärts. Er setzte abwechselnd einen Fuß nach dem anderen nach vorn und geriet immer wieder ins Straucheln. Im Gegensatz dazu zeigten Lye und Shiv die akrobatischen Fähigkeiten, die alle Dreckigen entwickelt hatten, um Unten überleben zu können. Lye hatte nicht das kleinste Problem, ihre Balance zu halten, obgleich sie ihre Waffe auf die beiden anderen gerichtet hielt. Und doch schien sie sich irgendwie anders als sonst zu bewegen. Aber Col fand nicht heraus, was anders war.
    »So war es nicht geplant.« Gart schüttelte den Kopf.
    »Niemand sollte auf den Seilen laufen.« Col sah ihn fragend an. »Die echte Angriffstruppe sollte Schlingen benutzen; da sollten die Leute sich reinsetzen und am Seil rüberrutschen.«
    »Nur dass wir die Schlingen noch nicht fertig haben«, erklärte Dalley.
    Das Prinzip leuchtete Col sofort ein. Da sich die Katapulte, von denen die Enterhaken abgeschossen wurden, auf der obersten Terasse befanden, neigten sich die Seile zum tiefer gelegenen russischen Juggernaut. Die Angriffstruppe konnte also einfach in den Schlingen zur Romanow hinüberrutschen.
    Er sah sich das Katapult vor ihm genauer an. Es war eine sehr geschickte Konstruktion: ein großer Bogen, der aus verschiedenen Lagen biegsamen Stahlblechs zusammengefügt war. Er war an zwei der hörnerartigen Rohre befestigt, die aus dem Boden guckten. Plötzlich fiel Col etwas anderes ins Auge, ein eigenartiges Häufchen fleischfarbenen Stoffs. »Was ist das denn?«, fragte er. Es war Dalley, die ihm antwortete: »Irgendwas, was sie getragen hat. Warum sie es ausgezogen hat, weiß ich nicht.«
    Col hob das Kleidungsstück auf. Das steife mit Fischbein verstärkte Material war mit Rüschen besetzt. »Es ist ihr Korsett«, sagte er. Er zog es auseinander und hielt es hoch. Riffs Augen wurden immer größer vor Erstaunen. »Das ist also der Grund«, stellte sie fest. Auch ihr war der Unterschied in Lyes Haltung aufgefallen. »Sie läuft ohne ihr Korsett.«
    Jetzt drehten sich wieder alle nach dem Trio um, das inzwischen an die hundert Schritte entfernt war. Die Spannung in Lyes Körper war selbst aus dieser Entfernung zu erkennen, es musste eine gewaltige Willensanstrengung sein, denn nie hatte sie sich aufrechter gehalten als jetzt.
    »Sie muss ungeheure Schmerzen haben«, murmelte Riff.
    Von der Romanow hatte es bislang keine Reaktion gegeben, doch nun zeigte sich ein Kopf, dann noch einer und noch einer. Col nahm an, dass die russischen Offiziere ebenso erstaunt waren wie er selbst es gewesen war. Einen Moment später liefen mindestens ein halbes Dutzend Männer über das Deck und hielten Ausschau nach den drei Gestalten.
    Lye legte ihre Waffe an und gab drei schnelle Schüsse ab. Sie hatte kaum gezielt, denn die Chance einen der Männer zu treffen, war gleich Null. Der Rückstoß des Gewehrs brachte aber die Seile zum Schwingen und Mr. Gibber, der sich kaum noch halten konnte, stieß einen jämmerlichen Schrei aus.
    Die Offiziere gaben Fersengeld. Eigentlich waren sie ja bewaffnet und hätten die Angreifer mühelos abschießen können, aber sie flohen, als sei jemand mit übermenschlichen Kräften hinter ihnen her.
    Col verstand ihre Furcht. Denn wie sonst konnte ein Trupp von drei Leuten so selbstbewusst gegen eine Übermacht von Tausenden von Männern vorrücken?
    »Weiter«, hörte er Lyes Befehlsschrei aus der Ferne. »Schneller.«
    Die drei hatten nun etwa die Hälfte der Strecke hinter sich und bewegten sich doppelt so schnell wie zu Beginn. Einen verrückten Moment lang fragte sich Col, ob Lye das Unmögliche vielleicht doch möglich machen könnte. Aber dann tauchten die Russen wieder auf. Mindestens hundert Mann marschierten zur Brüstung der Romanow , stellten sich in militärischer Formation auf und legten die Gewehre an.
    Dieses Mal

Weitere Kostenlose Bücher