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Liberator

Liberator

Titel: Liberator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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war und dem Gesang lauschte. Nach einer Weile bemerkte Unja, dass sie ein Publikum hatte, und brach mitten im Wort ab.
    »Nein, sing weiter«, rief Dunga und stützte sich auf einen Ellbogen. Sie hob ihre Hand zum Mund und dann zu ihrem Ohr, um Unja zum Weitermachen zu bewegen. Unja war sicherlich die letzte Person, die man schüchtern nennen konnte, aber sie zog ein Gesicht, kicherte und schüttelte den Kopf. Doch nach einer Weile stimmte sie ein neues Lied an.
    Col hätte nie gedacht, dass ihn etwas so tief bewegen könnte. Seine wichtigste Erfahrung in Sachen Musik stammte aus der Zeit vor der Befreiung: Gillabeths qualvoll korrekte Klaviervorträge. Aber dieses Lied hier ließ ihm die Nackenhaare zu Berge stehen, so berührend war es.
    Unja konnte ihr Lied jedoch nicht beenden, denn ein Swolotschij trat ein und schien eine wichtige Nachricht überbringen zu wollen. Unja stand auf und nickte, als sie ihm zuhörte. Dann sprach sie zu allen im Raum: »Babja schdet«. Da war es wieder, das Wort Babja . Was bedeutete es? Unja machte ihnen Zeichen, dass sie ihr folgen sollten.
    66
    Unja und der Bote führten das Kommando durch viele Tunnel und über viele Leitern. Es war ein Labyrinth von Gängen, die in massives Eisen gebohrt worden waren. Zum Schluss erreichten sie einen größeren Raum, wo sich eine Gruppe von Swolotschi versammelt hatte. Auf der einen Seite des Raumes schoss Wasser an einer Wand herab, und der Boden unter ihren Füßen war schmierig und rutschig.
    Alle Augen waren auf die Leute vom Liberator gerichtet, als sie durch die Menge geführt wurden. Unja zeigte nach vorn und flüsterte ein einziges Wort: »Babja.« Ihr Tonfall verriet Ehrfurcht und Verehrung.
    Babja war eine Frau, auch wenn sie beim ersten Anblick eher aus Metall statt aus Fleisch und Blut zu bestehen schien. Von ihrer Haut war wenig zu sehen, weil sie über und über mit Schmuck behängt war. Armreifen bedeckten die volle Länge beider Arme, eine Reihe von Reifen zierte ihren Hals, Messingbänder hingen ihr um die Hüften und die Beine, Kupferdraht war in ihre Zöpfe geflochten, Muttern und Schrauben baumelten von ihren Ohren, und Silberdrähte durchzogen ihre Augenbrauen. Es war ein Wunder, dass sie trotz des Gewichts, das sie mit sich herumtrug, aufrecht stehen konnte.
    Sie sah sich jedes einzelne Mitglied des Kommandos genau an, während sie an ihnen vorbeiging und leise klirrte. Offenkundig war sie die Anführerin der Swolotschi. Vielleicht hielt sie Col für den Anführer, denn er war es, den sie ansprach.
    » Romanow «, sagte sie und breitete ihre Arme aus. » Romanow .« Dann stupste sie Col gegen die Brust und hob fragend eine Augenbraue.
    Col antwortete: » Liberator .« Er zeigte mit beiden Armen nach vorne, um verständlich zu machen, dass es auch hinter den Wänden des russischen Juggernaut noch eine Welt gab. Dann beschirmte er seine Augen mit einer Hand, als ob er in die Ferne starrte.
    Babja wandte sich zu den Swolotschi, die hinter ihr standen, und erst da bemerkte Col, dass einige von ihnen die Waffen trugen, die sie ihnen abgenommen hatten. Sie hielten sie vorsichtig von sich gestreckt. Babja zeigte auf die Waffen und dann auf Col. Er konnte nur raten, was sie wollte.
    »Ja, die gehören uns.«
    Er streckte seinen Brustkorb heraus, um Stolz und Macht anzudeuten.
    Babja nickte und sagte etwas zu ihren Leuten. Die ganze Gruppe setzte sich in Bewegung, das Kommando vom Liberator in ihrer Mitte. Sie gingen an Nischen und Strebebögen vorbei, in die an vielen Stellen ein Doppeladler und die Jahreszahl 1857 eingestanzt waren: das Zarenwappen und das Baujahr der Romanow . Die Adlerköpfe waren allerdings fast überall weggekratzt.
    Nach drei weiteren Tunneln erreichten sie einen sehr weitläufigen und hohen Raum, in dem sich eine große Zahl von Swolotschi versammelt hatte. Das Licht hier war orangerot und stammte von Kohlen, die in flachen im Raum verteilten Becken glühten. Um sie herum ragten gusseiserne Blöcke wie schwarze Klippen empor.
    Das Wusch-gaah -Geräusch war hier viel deutlicher zu hören; es schien tief aus dem Inneren der Blöcke zu kommen. Vielfach verzweigte Rohre zogen sich wie Krampfadern über die Außenseiten der gusseisernen Klippen. So weit man sehen konnte, hatten sie kein oberes Ende und der Raum keine Decke; es war, als wölbte sich über ihnen ein dunkler Nachthimmel. Col suchte immer noch nach einer Decke, als ihn jemand an den Schultern packte, herumdrehte und nach vorn zeigte.
    Dort führte vor

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