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Liberator

Liberator

Titel: Liberator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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einmal eingegriffen?
    Aber als er über seine Schulter blickte, sah er sie wie einen Wachhund vor der Tür schlafen. Sollte er das vielleicht von allein getan haben … Er wollte die Hand nur noch ein ganz kleines bisschen da liegenlassen.
    Plötzlich kuschelte sich Riff auch an ihn. »Beweg dich nicht«, flüsterte sie. »Das ist schön.« – »Du bist wach?«
    »So halbwegs.« – »Wie lange …«
    »Beweg dich nicht. Uns kann keiner sehen. Es muss ja auch keiner wissen.«
    Er zog seinen Arm nicht weg, aber die Spannung in seinen Fingern konnte er nicht lösen. Sie legte ihre Hand darauf. »Entspann dich. Ich finde, so soll es sein.«
    Col war entschlossen, daran zu glauben, dass es so sein sollte. Aber er konnte das Hindernis, das ihnen im Wege stand, nicht vergessen.
    »Ich fühl mich, als wäre ich nicht ehrlich.«
    »Nicht ehrlich?«
    »Sephaltina.«
    »Ach, du meinst dein kleines Frauchen? Die zählt nicht. Sie ist doch keine wirkliche Person.«
    »Das ist nicht fair. Sie hat Gefühle wie jeder andere auch.«
    »Wie jedes andere verwöhnte Kind, meinst du.«
    »Sie liebt mich. Das stimmt wirklich. Ich hatte es zwar vergessen, aber es ist trotzdem wahr. Ich kann ihr einfach nicht wehtun.«
    Riff holte spöttisch Luft. »Ich hab ihre Vorstellung gesehen. Ich sterbe. Ich sterbe . Das sind doch keine Gefühle, das ist Manipulation. Kennst du denn den Unterschied nicht?« Sie drehte sich um, und nun lagen sie sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Ihr Mund war seinem so nahe! Ihre Augen waren groß und unwiderstehlich.
    »Du bist ja so tugendhaft«, sagte sie. »Im Herzen bist du ganz der brave Junge vom Oberdeck geblieben.«
    Col kam es vor, als würde er ertrinken. Es war genauso wie damals, als sie ihm die Kampftechniken beigebracht hatte und sie beide auf den Boden gefallen waren … Nein! Er versuchte, sich Sephaltina in ihrem Krankenbett vorzustellen. Umsonst.
    »Du glaubst an ausgedachte Dinge statt an wirkliche«, flüsterte Riff. »An Prinzipien statt an Gefühle.«
    Das stimmte teilweise, das wusste er; niemals würde er den Einfluss der Ethik-Stunden seines alten Professors Twillip leugnen können. Aber andererseits …
    »Sephaltina ist kein Prinzip«, sagte Col entschieden. »Und mit mir verheiratet zu sein, ist für sie sehr wirklich.« Die Welle, die ihn bis hierhin getragen hatte, zog sich zurück, und Riff rückte ein wenig von ihm weg.
    »Hast du denn herausgefunden, wie man sich entheiraten kann?«, fragte sie.
    »Ja.« Col war dankbar für die Ablenkung. »Es ist nicht ganz einfach.«
    »Aber ist es möglich?«
    Er wollte nicht lügen.
    »Nein«, sagte er unglücklich.
    »Niemals?«
    »Niemals.«
    »Pfff. Dann weiß ich ja, woran ich bin.«
    Mit einem Mal hatte sich eine Kluft zwischen ihnen aufgetan. Riff biss sich auf die Lippe und rollte wieder auf die andere Seite, mit dem Gesicht zu den Rohren.
    Col war völlig verwirrt. Das Blut pochte ihm in den Schläfen, bis alles vor seinen Augen verschwamm. Eine Sekunde lang dachte er: Wenn Shiv doch besser zugestochen hätte, ins Herz, und in der nächsten Sekunde plagten ihn die schlimmsten Gewissensbisse. Wie konnte er so etwas auch nur denken! Er schüttelte den Kopf und drehte sich mit dem Gesicht zur Tür. Ich will, dass Sephaltina gesund wird!, sagte er sich. Ich freue mich, dass es ihr besser geht!
    Von Riff war kein Laut mehr zu hören, sie schlief wahrscheinlich schon wieder. Als Col endlich auch einschlief, hatte er die wildesten Träume. Eine Szene aber wiederholte sich immer wieder: Er befand sich in der Staatskapelle, und Königin Victoria stellte ihm die Frage: Willst du, Colbert Porpentine, die hier anwesende Sephaltina Turbot zur Frau nehmen? So antworte mit: Ja, ich will .
    Und in seinem Traum sagte er die Worte, die er wirklich meinte: Ich will nicht ! Wieder und wieder dieselben Worte: Ich will nicht ! Plötzlich erklang zu diesen Worten ein Gesang. Es war der schönste Gesang, den er je in seinem Leben vernommen hatte, aber es hörte sich nicht nach einem Lied an, das in der Staatskapelle gesungen würde. Und dann begriff er, was falsch war – das Lied wurde in einer fremden Sprache gesungen.
    Jetzt war er hellwach und lauschte einem realen Lied in einem realen Raum voller Rohre und tropfendem Wasser. Er konnte kaum fassen, dass es Unja war, die da sang. Diese reine glockenhelle Stimme schien so gar nicht zu ihr zu passen. Aber da saß sie im Schneidersitz und sang ganz für sich.
    Col war nicht der einzige, der aufgewacht

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