Liberator
sie sagte etwas Unhörbares durch das Glas.
In einer kleinen Pantomime zeigte er auf seine Ohren, zuckte mit den Achseln und wollte sich entfernen, doch Riff hob energisch die Hand und gab ihm ein Zeichen, dass er hereinkommen sollte. Er hatte keine Wahl. Widerwillig nickte er und trat durch die Tür. Riff und Lye standen an den Pulten, an denen normalerweise die Funker mit ihren Kopfhörern an den Morsetasten saßen.
»Kuck dir das an!« Riff breitete ihre Arme aus, um das ganze Ausmaß der Zerstörung zu zeigen. »Hat ’nen guten Job gemacht, was?«
Col sah sich um. Herausgerissene Drähte hingen aus den Telegraphen, der Fußboden war übersät mit Glassplittern und Metallfragmenten, selbst die Morsetasten waren verbogen, die Kopfhörer zerschmettert. Es sah aus, als sei ein Wirbelsturm durch den Raum gezogen.
»Er muss die halbe Nacht hier zugebracht haben«, sagte Lye.
»Was ist mit den anderen Räumen?«, fragte Col Riff.
»Dasselbe.«
»Irreparabel?«
Es war eine dumme Frage: Selbst ein Blinder hätte das sehen können. Riffs Augen blitzten.
»Verstehst du, was das bedeutet?« fuhr sie ihn an.
»Ihr könnt die Nachrichten der imperialistischen Juggernauts nicht mehr abfangen.«
»Also haben wir keine Ahnung, wo sie grade sind. Also wissen wir auch nicht, wann sie hier sein werden.«
»Der Saboteur muss das gewusst haben.« Lye sprach ausschließlich an Riff gerichtet. »Er wusste genau, wo er uns den schwersten Schlag versetzen konnte.«
Riff zog ihre Augenbrauen nachdenklich in die Höhe. »Aber woher?«
»Von anderen Protzern, seinen geheimen Unterstützern.«
Col versuchte das Gespräch auf ein neues Thema zu bringen. »Was glaubst du, wann die ersten Juggernauts hier sein werden?«, fragte er Riff. »Gansy muss es doch wissen.«
»Fünf Tage. Eine Woche.«
»Wir werden die Kohle, die wir brauchen, in einer Woche geladen haben«, insistierte Lye, die sehr nah bei Riff stand und ihre ganze Aufmerksamkeit einforderte.
»In weniger als einer Woche wäre besser!«
»Haben wir nicht unseren Preis für die Kohle gezahlt? Vierundsechzig Tote! Das ist unser Blutzoll!«
Lye versuchte mit aller Macht, Riff für ihren Standpunkt einzunehmen, aber Riff war noch nicht überzeugt. Col stand daneben und beobachtete ihr Mienenspiel. Er versuchte zu erkennen, ob sie nachgab oder Widerstand leistete …
»Wir sind doch keine Feiglinge, oder?« Auf Lyes Wangenknochen zeigten sich wieder die charakteristischen weißen Flecken der Wut. »Wir können doch nicht zulassen, dass die Tyrannen uns Angst einjagen und vor sich her treiben!«
Das Gespräch bewegte sich im Kreis. Col hoffte, es würde sich zu einem handfesten Streit auswachsen. Dann würde Lye gehen, und er könnte mit Riff alleine reden.
Ich habe den längeren Atem, dachte er. So leicht wirst du mich nicht los. Zuletzt mischte er sich doch ein. »Die imperialistischen Juggernauts sind viel gefährlicher, als wir geahnt haben. Sie verfügen über viel bessere Bewaffnung als wir.«
Riff sah ihn fragend an, während Lye ihn plötzlich heftig anging. »Was macht der eigentlich noch hier? Wir besprechen Ratsgeschäfte! Da kann doch kein Protzer mithören!«
Riff zog hörbar die Luft ein. Einen Moment lang dachte Col, sie sei auf seiner Seite. Aber sie sagte nichts.
»Die anderen Juggernauts haben Waffen, die wir nicht haben«, sagte Col.
»Alles heiße Luft und nix dahinter«, schrie Lye.
Riff blickte von einer zum anderen … und wandte sich dann an Lye.
»Warum sagst du das?«
»Erinnerst du dich an die Befreiung? Wie schnell die Protzer aufgegeben haben? Wir mussten nur gegen sie aufstehen, und schon gaben sie klein bei. So wird es auch mit den anderen Juggernauts sein.«
Riff schien nicht überzeugt. »Königin Victoria hatte sich entschieden zu kapitulieren. Das hat den Kampf beendet.«
»Und ich habe sie überzeugt zu kapitulieren«, sagte Col.
Lye sprach so eindringlich wie möglich auf Riff ein. »Sie hatten nicht den Mumm zu kämpfen. Parasiten! Du musst sie dir doch nur ansehen!« Sie sah zwar nicht zu Col hinüber, aber es war klar, dass sie ihn meinte. »Wie sie ihre Haare kämmen, wie sie sich kleiden, ihre angeberische Sprache. Völlig von ihrer eigenen Wichtigkeit überzeugt. Als ob das irgendwen interessieren würde. Puuh!«
Col merkte, wie sich sein Gesicht rot verfärbte. Er starrte in Riffs Augen, aber entdeckte nichts darin. Sie musste gemerkt haben, was Lye mit ihm machte, aber sie war nicht gewillt, zu seiner
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