Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liberator

Liberator

Titel: Liberator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
Vom Netzwerk:
suchten die ersten Flüchtlinge Zuflucht in der Norfolk-Bibliothek. Es handelte sich um eine Gruppe von acht Mann, die in den ehemaligen Schreibstuben auf Deck 49 gewohnt hatten. Einer von ihnen blutete aus Schnitten im Gesicht. Col kannte ihn: Es war Feldwebel Trockett.
    »Es ist nicht mehr sicher auf Deck 49«, sagte Trockett.
    »Sie geben uns die Schuld am letzten Sabotageakt«, fügte ein Unteroffizier namens Chibling hinzu. »Wir hatten gehofft, wir könnten bei euch unterkriechen.«
    »Natürlich könnt ihr das«, gab Col zurück.
    »Wie bitte?«, fragte Gillabeth.
    Col drehte sich zu seiner Schwester um. »Wir haben doch genug Platz, oder?«
    »Natürlich haben wir das«, antwortete sie. »Ich werde nur umdisponieren müssen.«
    Die Männer betraten die Bibliothek. Sie hatten ein paar Tüten, Konservendosen und Kartons mit Lebensmitteln bei sich – aber nicht viel mehr. Sie mussten ihr Ghetto in höchster Eile verlassen haben. Der letzte von ihnen schloss die Bibliothekstür fest zu und drehte sofort den Schlüssel im Schloss.
    »Erzählt uns, was passiert ist«, sagte Col.
    Sie setzten sich an den großen Tisch. Es waren nur wenige höhere militärische Dienstränge nach der Befreiung an Bord geblieben; da sie die sichtbarsten Agenten der Unterdrückung waren, erfreuten sie sich bei ihren ehemaligen Opfern keiner besonders großen Beliebtheit. Diese spezielle Gruppe hatte allerdings eine entscheidende Rolle dabei gespielt, den Dreckigen zu zeigen, wie der Juggernaut funktionierte, aber dieses Verdienst schien inzwischen vergessen zu sein.
    »Heute in den frühen Morgenstunden sind sie gekommen, um uns zu verhören«, sagte Chibling.
    »Zwei von ihnen waren Ratsmitglieder«, fügte Trockett hinzu. »Und zwei Rotarmbinden.«
    »Sie hatten entdeckt, dass jemand in der Nacht die Funkstation zerstört hat«, erzählte ein anderer Feldwebel namens Pollard weiter. »Und weil wir auf demselben Gang wohnen, und sogar ganz in der Nähe der Funkstation, sind wir die Hauptverdächtigen.«
    »Sie sind dann aber wieder gegangen, ohne einen von uns zu beschuldigen«, fuhr Trockett fort. »Später kam eine andere Truppe, und die haben uns angegriffen.«
    »Es waren so an die dreißig«, sagte Pollard. »Hauptsächlich Rotarmbinden.«
    Col stellte sich die Schreibstuben vor, die nur durch Glaswände vom Korridor getrennt waren.
    »Viel Schutz hattet ihr nicht in den Schreibstuben.«
    »Nein, sie fingen an, die Fenster einzuschlagen«, sagte Trockett und zeigte auf die Verletzungen in seinem Gesicht. »Diese Schnitte stammen von herumfliegendem Glas.«
    »Wir haben dann Aktenschränke an die Fenster gestellt, um uns zu schützen«, fuhr Pollard fort. »Wir dachten, sie würden durch die Fenster springen oder anfangen zu schießen. Aber sie lehnten sich nur in die Räume hinein und zerschlugen alles, was sie erreichen konnten, mit ihren Knüppeln.«
    »Jedenfalls können wir nicht dorthin zurückkehren.« Chibling schüttelte den Kopf. »Das geht wirklich nicht.«
    Gillabeth erhob sich mit einem Schnaufen. »Ich habe doch gesagt, dass wir Platz für euch finden werden! Wir brauchen allerdings mehr Matratzen.« Sie klatschte in die Hände. »Freiwillige vor! Wir müssen leere Kabinen nach Matratzen durchsuchen!«
    Col drehte sich weg, als Gillabeth ihre Freiwilligen aussuchte. Er würde später helfen, aber jetzt wollte er erst einmal nachsehen, was aus den drahtlosen Telegraphen geworden war.
    »Bin bald wieder da«, sagte er zu niemand besonderem, als er durch die Tür schlüpfte.
    Deck 49 war fünf Decks höher als die Norfolk-Bibliothek, und die Funkstation bestand aus vier miteinander verbundenen Räumen mit großen Fenstern, die den Schreibstuben glichen. Col brauchte zwanzig Minuten, um dorthin zu gelangen, denn er machte immer wieder Umwege, um Dreckigen aus dem Weg zu gehen.
    Als die Luft rein war, ging er schnell zum nächsten Fenster und sah hinein. Das Erste, was ihm auffiel, war das fehlende Blinken der roten und grünen Lämpchen. Die drahtlosen Telegraphen arbeiteten nicht mehr. Das Zweite, was ihm auffiel, war, dass Leute in dem ersten Raum waren – zwei schattenhafte Figuren, die in ein Gespräch vertieft schienen. Eine von ihnen hatte blond-schwarz geschecktes Haar: Riff! Aber die andere hatte samtschwarzes, und er verfluchte sein Schicksal. Er konnte Riff nicht ansprechen, solange Lye in der Nähe war. Gerade wollte er sich zurückziehen, als Riff aufblickte und ihn entdeckte. Ihre Augen weiteten sich, und

Weitere Kostenlose Bücher