Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liberator

Liberator

Titel: Liberator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
Vom Netzwerk:
Twillip alle mit einer ungewöhnlichen Ansage. Die Bewohner der Bibliothek nahmen gerade ihr gemeinsames Mittagessen ein, das aus Zwieback, Käse, getrockneten Früchten und heißem Tee bestand, den sie auf ihrem Kerosinherd zubereitet hatten, als der Professor sagte: »Ich möchte mir heute die Gesindlinge auf dem Gartendeck ansehen. Ich möchte ihre Köpfe untersuchen.«
    »Gartendeck?« Col runzelte die Stirn. »Vielleicht nicht so eine gute Idee.«
    »Wieso nicht? Wir können uns doch auf dem ganzen Juggernaut bewegen wie wir wollen, oder etwa nicht?«
    Orris nickte. »Die Dreckigen vertrauen uns. Wir stehen jetzt alle auf derselben Seite.«
    Es war unmöglich, gegen den unbeschwerten Enthusiasmus des Professors oder Orris’ idealisierte Meinung von den Dreckigen anzukommen.
    »Gut«, sagte Col, »dann begleite ich euch.«
    »Vielleicht trefft ihr ja Missy Jip dort«, meldete sich Quinnea plötzlich. »Ich wünschte mir so sehr, dass sie noch bei mir wäre!«
    Wie so oft war Quinnea in ihren Erinnerungen gefangen. Orris räusperte sich und wollte etwas erwidern, aber sie kam ihm zuvor. »Ich weiß, ich weiß. So etwas sollte ich nicht sagen. Du brauchst mich nicht wieder darauf hinzuweisen, dass es falsch war, Gesindlinge zu halten. Aber Missy Jip war immer so freundlich und hilfreich.« Sie drehte sich zu Col. »Bitte halt nach ihr Ausschau. Ich möchte gern wissen, ob es ihr gut geht.«
    Septimus und Orris schlossen sich dem Ausflug an, und sie machten sich direkt nach dem Mittagessen auf den Weg zum Gartendeck.
    Col führte sie Korridore entlang, die von den Dreckigen wenig genutzt wurden. Professor Twillip hatte einen Zeichenblock und ein Bandmaß bei sich, während Septimus die drei medizinischen Bücher trug, die sie bisher in der Bilbliothek entdeckt hatten.
    Es war eine ganze Weile her, dass Col auf dem Gartendeck gewesen war, und die Veränderungen, die seitdem dort stattgefunden hatten, waren verblüffend. Vor der Revolution war es ein Park gewesen, mit verschiedenen Vegetationszonen. Jede Zone ließ eine bestimmte Landschaft aus der Alten Heimat wiederauferstehen. Nun wurde das Deck landwirtschaftlich genutzt, so dass der Liberator sein eigenes frisches Gemüse hatte. Die Bäume standen weiterhin in ihren ins Erdreich eingelassenen Kübeln, aber die Rasenflächen waren umgegraben worden und in Tausende kleine Beete mit Zwiebeln, Tomaten, Kartoffeln und Gurken aufgeteilt worden.
    Alles war friedlich und hübsch in der milden Nachmittagssonne: das helle Grün der Triebe und Schösslinge, die braune Erde, das dunklere Grün des Blattwerkes über ihnen. Die Gesindlinge bewegten sich mit Schaufeln, Eimern oder Gießkannen zwischen den Beeten hin und her. Sie trugen weiterhin ihre grauen pyjamaartigen Uniformen und schlurften mit gesenkten Schultern umher. Aber sie wirkten zufrieden. Allerdings war dies kaum dieselbe Art von Zufriedenheit, die wirklich gesunde Menschen verspürten.
    »Wie viele Schädel wollen Sie denn untersuchen?«, fragte Col den Professor.
    »Dutzende. Lass uns gleich mit denen hier beginnen.« Der Professor zeigte auf zwei Gesindlinge, die neben einem Kürbisbeet auf einer Bank in der Sonne ruhten. Der eine hatte eine Glatze, und der andere schlief fest und schnarchte leise vor sich hin. Professor Twillip führte die Gruppe um das Gemüsebeet herum zu den beiden. Er betrachtete die Gesindlinge über seine Brillengläser hinweg eingehend.
    »Ich denke, sie um ihre Zustimmung zu bitten, ist überflüssig.«
    »Sie können ja nicht antworten«, sagte Col. »Sie können nur gehorchen.«
    Der Professor stellte sich vor den Schlafenden und zeichnete seinen Kopf ab. Septimus setzte sich ins Gras und schlug die Bücher auf. Col überließ sie sich selbst. Das Gartendeck war etwa zwanzig Hektar groß, und an die vierhundert Gesindlinge lebten hier nun. Da waren die Chancen ziemlich gering, Missy Jip zu finden. Aber er wollte es wenigstens versucht haben. Er schritt durch die Gemüsebeete und genoss die Sonnenstrahlen.
    Er fand Missy Jip wirklich nicht, dafür aber Wicky Popo. Verglichen mit dem fast durchscheinenden Individuum, das Ebnolia Porpentine beinahe hatte verhungern lassen, sah der befreite Wicky Popo wohlgenährt und kräftig aus.
    »Hallo! Wicky Popo!« Col lächelte. »Hier hast du es doch viel besser als früher, nicht wahr?«
    Wicky Popo, der gerade Unkraut gejätet hatte, richtete sich auf und sah ihn an. Col konnte den Ausdruck seiner traurigen seelenvollen Augen nicht deuten,

Weitere Kostenlose Bücher