Liberty 9 - Sicherheitszone (German Edition)
dass sie einen auf den Stuhl schnallen « , raunte Nekia ihr zu.
Der schwarze Humor ihrer Freundin brachte ein gequältes Lächeln aufKendiras Gesicht. » Stoß mich an, wenn ich gleich einzuschlafen drohe « , sagte Nekia unter lautem Gähnen, während die letzten, weithin schallenden Fanfarenklänge als Echo von den Berghängen zurückkamen. » Obwohl, das Morgenlob kann ich ja auch im Schlaf. «
Primas Templeton trat mit den Prinzipalen vor das Portal. Augenblicklich flammte der gleißende Lichtdom über dem Vorplatz auf und die Laser auf den umliegenden Dächern projizierten den rotierenden Hyperion-Kubus in kräftigen Spektralfarben unter das leuchtende Gitter.
» Gelobt und gepriesen sei die Erhabene Macht! «
» Gelobt und gepriesen sei die Erhabene Macht! « , donnerte es in vertrauter Einstimmigkeit aus Hunderten von Kehlen und doch wie aus einem einzigen Mund.
Kendira ließ nicht eines der vorgegebenen Worte aus, aber sie kamen ihr automatisch über die Lippen. Seltsam unbeteiligt ließ sie den Morgenappell über sich ergehen. Sie blieb auch völlig unberührt von den spektakulären Lichteffekten. Dabei hatte dieses Schauspiel sie bislang noch jeden Morgen mit Stolz und Begeisterung erfüllt, egal wie müde sie gewesen war. Stolz und Staunen stellten sich an diesem Tag jedoch nicht ein. Es war, als wäre der Zauber verflogen und als hätte sich in ihr über Nacht eine innere Distanz gebildet.
Wie schon mehr als tausend Mal zuvor, hörte sie Primas Templeton von auserwählten Söhnen und Töchtern des Lichts, den treuen Dienern der Erhabenen Macht reden, von der unerschütterlichen Entschlossenheit eines wahren Electors, seinem hohen Auftrag gerecht zu werden, und von dem unablässigen Streben nach noch größerer Vollkommenheit und Hingabe. Und wie über tausend Mal zuvor, beantwortete sie diesen allmorgendlichen Aufruf ihres Primas auch jetzt mit dem erwarteten kraftvollen Versprechen » Das geloben wir! « .
Aber auf einmal klangen all die feierlichen und gewichtigen Worte in ihren Ohren befremdlich hohl. Und dass dem so war, erschreckte sie fast noch mehr. Aber erwehren konnte sie sich dessen nicht.
Die Saat des Zweifels, die Dante in ihr ausgebracht und die dank Master Seywards Botschaft kräftige Wurzeln getrieben hatte, sie hatte ihr die noch vor wenigen Tagen für unerschütterlich gehaltene Überzeugung geraubt, auserwählt und zu einem hochwürdigen Dienst bestimmt zu sein. Nun wusste sie nicht mehr, was sie für wahr halten sollte.
Nach wie vor wollte sie an ihr Auserwähltsein und ihre hohe Berufung glauben, aber es gelang ihr einfach nicht mehr. Der Stachel des Argwohns, auf irgendeine Weise von ihren Oberen getäuscht zu werden, saß schon zu tief.
Nun kehrte die Erinnerung an die vergangene Nacht zurück, als Dante ihre Hand genommen und sie fest umschlossen gehalten hatte, als wollte er sie nie wieder freigeben. Und auch das Herzklopfen stellte sich wieder ein. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals etwas ähnlich Aufregendes und zugleich Tiefgreifendes empfunden zu haben. Nicht einmal mit Byrd, als er sie das erste Mal an sich gezogen hatte, um sie zu küssen. Sie war nach seinem ersten Kuss mehr amüsiert als dahingeschmolzen gewesen, sie hatte sogar gelacht.
Aber gestern bei Dante, als sie den gewundenen Pfad hinuntergestiegen waren…
Hastig schob Kendira den Gedanken beiseite und rief sich scharf zur Ordnung. Sie musste vernünftig sein und durfte derartigen Verrücktheiten keine Bedeutung beimessen, die ihnen nicht zukam– und die ihnen auch in Zukunft nicht zukommen würde!
Und mit diesem festen Entschluss, der mit dem Ende des Morgenappells zusammenfiel, begab sie sich mit Nekia zum Frühstück ins Refectorium.
Auf dem Weg dorthin trat Carson an ihre Seite. Wie üblich hatte er Duke sowie Fling und Flake im Gefolge. » Einen lichtvollen Morgen, ihr hochwürdigen Hübschen! « , begrüßte er sie schwungvoll.
» Reiß dich mal ein bisschen zusammen, Carson! « , sagte Nekia mürrisch. » So eine unverschämt gute Laune so früh am Morgen ist einfach unerträglich und sollte unter Strafe stehen! «
Auch Kendira kam Carsons betont munteres Auftreten ein wenig übertrieben vor, und ihr war, als könnte sie dahinter eine Spur von Verlegenheit entdecken.
Carson lachte. » Wieso? Ich habe allen Grund, fröhlich zu sein, und ihr auch. Denn es ist endlich wieder so weit: Heute Abend geht es zur Lichtmesse in die Basilika! « , eröffnete er ihnen aufgekratzt und fuhr an
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