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Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Titel: Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Rosen
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starren Blick hatte. Er versuchte, sich zusammenzunehmen.
    »Wie waren noch mal die beiden anderen Namen?«, fragte er hastig.
    »Fentanyl. Demerol«, wiederholte Liberty Bell leise.
    Ernesto riss den Deckel seines Laptops hoch und schaltete ihn ein. Mit bebenden Fingern tippte er Demerol in die Suchmaschine. In einem Bruchteil von Sekunden hatte er etliche Treffer.
    »Ein Opioid?«, flüsterte er. »Opioid? Opium? Ein Analgetikum?« Natasha gab seiner Mutter Opiate gegen eine Magen-Darm-Grippe? Seine Blicke flogen über den Bildschirm. »Starkes Schmerzmittel? Verwandt mit dem besser bekannten Morphin? Kann Krampfanfälle auslösen?«
    Ernesto hob den Kopf. »Aber…?«, murmelte er verwirrt. Liberty Bell sah ihn hilflos an, doch er konnte ihr jetzt nicht erklären, was er hier tat. Er tippte mit fliegenden Fingern bereits Fentanyl in eine zweite Suchzeile und merkte kaum, dass Liberty Bell hinter ihn getreten war und mitlas. In jeder anderen Situation hätte er wieder einmal über ihre Anpassungsfähigkeit gestaunt, die Dinge zu akzeptieren, wie sie waren. Sie, die noch nie einen Computer bedient, geschweige denn, etwas online gesucht hatte.
    Aber jetzt kam es Ernesto nur darauf an, diesen Wahnsinn, der hier tobte, so schnell wie möglich zu durchblicken. Wenn es überhaupt gelingen konnte.
    Fentanyl wirkt vorwiegend stark schmerzlindernd und beruhigend (sedierend). Es ist etwa 100-mal so stark wie Morphin (gemessen am Gewicht ist nur ein Hundertstel der Menge an Fentanyl nötig, um die gleiche Wirkung zu erzielen), besitzt außerdem eine höhere Wirksamkeit, während seine Wirkdauer in der Regel deutlich kürzer ist…
    Ernesto fuhr sich über das Gesicht, ehe er weiterlas.
    …abhängig von der Dosis und dem Gesamtzustand des Patienten beeinträchtigt Fentanyl die Wahrnehmungsfähigkeit, wirkt beruhigend und führt zu Bewusstseinstrübungen bis hin zu einem schlafähnlichen Zustand. Deshalb wird es im klinischen Bereich zur Anästhesie eingesetzt…
    »Das ist Schwachsinn«, sagte Ernesto laut und brach damit wütend das Schweigen. »Warum sollte Nat meiner Mutter so ein – Zeug verabreichen? Sie… sie ist doch nicht übergeschnappt!«
    Aber er konnte nichts dagegen tun. Sein Blick hing wie erstarrt an den Zeilen. Bewusstseinstrübung… schlafähnlicher Zustand …
    In seinem Kopf begann sich alles zu drehen, dennoch zwang er sich weiterzulesen.
    …zu den Nebenwirkungen zählt die Beeinträchtigung der Atmung bis hin zur Atemdepression, das Verkrampfen und Erstarren der Muskulatur, verlangsamte Herztätigkeit, verengte Pupillen, Euphorie oder Angstzustände, Übelkeit, Erbrechen und Verstopfung. Bei schneller Injektion kommt es gelegentlich zu kurzzeitigem Hustenreiz…
    Hustenreiz…?
    »Hustenreiz?«, flüsterte Ernesto. »Sie… sie hustet seit… seit Jahren…«
    Was hatte das alles zu bedeuten?
    Sein Blick hing an dem kleinen Gefahrstoffkennzeichen am Rande des Bildschirms: einem Totenschädel in einem Warndreieck. Gleich darunter stand: Verschreibungspflichtig. Wird auch zum Strecken von Heroin eingesetzt.
    In diesem Moment öffnete sich hinter ihnen mit einem leisen Surren die Schiebetür.
    Ernesto fuhr herum.
    »Dad, zum Glück bist du da«, sagte er hastig und schob den Laptop zur Seite. »Verdammt, Mom geht es echt mies heute. Und ich habe da etwas sehr Merkwürdiges entdeckt…«
    Er drehte seinen Laptop um. »Das hatte Natasha in Moms Zimmer«, sagte er atemlos.
    Dr. Merrill zog die Augenbrauen nach oben. »Ich weiß«, sagte er mit einem traurigen Lächeln. »Ich weiß das, Sohn.«
    Er rollte über die Türschwelle, mitten in das unordentliche Zimmer hinein. Dabei streifte sein Blick Liberty Bell.
    »Was weißt du?« Ernesto spürte, wie er blass wurde, und schaute seinen Vater eindringlich an.
    Dr. Merrill gab keine Antwort, sondern lächelte Liberty Bell vage zu.
    Später wird Liberty Bell zu Ernesto sagen: »Wahnsinn, was er für Augen hat. Noch nie habe ich jemanden mit so sanften Augen gesehen. Wie tiefe Seen. »Jesusaugen«, hätte meine Mom sie genannt. Sie wollte immer einen Mann mit Augen wie Jesus haben. Sie sagte, solche Augen kann nur ein wirklich guter Mensch haben.«
    »Du bist das Mädchen aus dem Wald.« Dr. Merrill fragte nicht, er stellte fest.
    Liberty Bell nickte stumm.
    »Es freut mich, dich kennenzulernen«, fuhr Ernestos Vater fort, aber der traurige Ausdruck in seinem Gesicht schwand nicht. Er drückte für einen höflichen Moment Liberty Bells dünne Hand. »Wenn ich mir

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