Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)
gar nichts, sondern schaute nur weiter nachdenklich vor sich hin.
»Erst einmal: Habt ihr schon von Chazza Blume gehört? Er ist aufgewacht.«
»Woher weißt du das?«, fragte Mose.
Ern winkte ab. »Ihre Mom arbeitet im Krankenhaus«, erklärte er den anderen. »Wann denn?«, wandte er sich an Sally.
»Vor ein paar Stunden. Er hat sogar schon gesprochen. Allerdings noch nichts wirklich Zusammenhängendes, wie ich gehört habe. Doch die Ärzte sind jetzt so gut wie sicher, dass er wieder in Ordnung kommen wird.«
Ernesto atmete bei diesen Worten auf. Eine Welle aus Erleichterung strömte durch seinen Körper. Er musste seiner Mom Bescheid sagen. Sie war heute noch nicht einmal aus ihrem Zimmer gekommen.
»Aber das ist nicht der eigentliche Grund, warum ich gekommen bin…« Sally schaute Ernesto an. »Weißt du schon von dem geplanten Besuch der Lyfords bei Liberty Bell?«
»Was? – Wer? Nein.«
Ernesto schüttelte überrumpelt den Kopf und versuchte sich zu konzentrieren.
»Das dachte ich mir«, sagte Sally. »Ich hab’s ebenfalls von meiner Mom. Im Grunde kann ich es ja verstehen. Sie wollen natürlich so viel wie möglich über das erfahren, was mit ihrer Tochter passiert ist. Und da kann ihnen nur Liberty Bell…«
Ernesto fuhr auf. »Das bedeutet, sie werden ihr sagen, wer sie in Wirklichkeit ist? Dass sie gar nicht Annie Lyfords Kind war? Verdammt, das dürfen sie nicht! Sie weiß doch gar nicht…«
Er war aufgesprungen und dabei versehentlich auf eine der drei verbliebenen Hundepfoten Dalís getreten. Der Hund sprang gekränkt zur Seite, aber Ernesto achtete nicht auf ihn.
»Ich muss los«, sagte er aufgebracht. »Sie… sie soll nicht nur Dr. Walther oder Dr. Oakville an ihrer Seite haben, wenn diese Lyfords auftauchen!«
Er schnappte sich seine Autoschlüssel, riss die Tür auf und war schon die Rampe hinunter, als er hörte, wie Sally hinter ihm herkam. »Warte«, rief sie. »Ich… ich dachte, es wäre gut, wenn sie etwas anderes zum Anziehen hätte als diese hässliche Klinikkluft. – Vielleicht würde sie sich dann – besser fühlen.«
Ernesto lief durch die Küche hinüber in die Garage. Er öffnete die Wagentür seines Beetles. »Willst du mitfahren?«, fragte er und lächelte Sally trotz seiner Sorge um Liberty Bell und trotz seines Kummers wegen Jaden zu.
»Okay«, sagte Sally und lächelte zurück.
Es war ein olivgrünes Strickkleid. Und dazu ein grüngoldenes Tuch, das Liberty Bell sich um den Hals wickeln konnte. Außerdem ein paar gelbe Riemchensandalen aus Sallys eigenen Beständen.
»Ich hoffe, sie passen einigermaßen«, sagte Sally.
»Hey, toll. Hast du das Kleid selbst gemacht?«, fragte Ernesto.
Sally nickte. »Ich dachte, Grün würde ihr bestimmt gut stehen. Ich habe mir die Aufnahmen in der Zeitung noch einmal angesehen. Und die Bilder, die Channel 77 gebracht hat…«
Ernesto runzelte die Stirn, während der Klinikaufzug sie ins sechste Stockwerk hinauffuhr. Die Aufnahmen, er hatte sie sich schließlich widerwillig ebenfalls angesehen, waren die, die Cal Wyludda, das Ekel, gemacht – und dafür sicher eine Stange Geld abkassiert hatte: Liberty Bell, überrumpelt in ihrer Hütte, nachdem Jaden und Cal gerade hereingestürmt waren. Liberty Bell, die versuchte, sich in einer Ecke vor den beiden zu verbergen, mit den Händen vor dem angstverzerrten Gesicht. Liberty Bell, schließlich weinend und zusammengekauert, als Cal näher kam.
So gut jeder in und um Old Town kannte diese Aufnahmen in der Zwischenzeit. Channel 77 hatte sie oft genug ausgestrahlt.
»Und das Tuch?«, fragte Ernesto jetzt und ließ es sich durch die Hände gleiten.
»Gebatikt. Gestern«, erklärte Sally . »Ich fand Grüngold eine positive Kombination. Gefällt es dir?«
»Ja. Es ist… großartig, Sal. Tausend Dank, echt.«
Sie lächelten sich erneut zu. Dann waren sie da.
»Willst du – vielleicht mit reinkommen?«, fragte Ernesto. Vielleicht würde es Liberty Bell guttun, eine Freundin zu finden. Und Sally Hensley wäre mit Sicherheit eine gute Wahl.
»Okay«, sagte Sally. »Geh rein und frag sie. Ich warte hier.« »Hi Liberty Bell«, sagte Sally.
»Guten Tag… Sally …«, sagte Liberty Bell vorsichtig.
Es klappte besser, als Ernesto zu hoffen gewagt hatte. Während die Mädchen sich erst zögernd unterhielten und Liberty Bell sich schließlich in ihrem kleinen Badezimmer, das an ihr Krankenzimmer angrenzte, umzog, hing Ernesto seinen Gedanken nach.
Einmal kam ein Krankenpfleger
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