Liberty: Roman
Schmerzen?«, frage ich ihn.
»Du hast Chemikalien bekommen, damit du nichts spürst, als wir an deinem Bein gearbeitet haben«, sagt Doktor Freeman.
So bleibe ich bis zum nächsten Tag liegen – ich bekomme mehr Chemikalien, um den Schmerz zu unterdrücken –, und ich fühle noch immer nichts. Überhaupt nichts. Der Körper ist in Ordnung, keine Löcher in der Haut, keine Schäden – nur das Bein, der Fuß, der fast auf dem Weg ins Grab ist.
Der Fuß ist jetzt nur noch ein Fuß, so gut wie ohne ein Bein, mit dem er zusammenarbeiten könnte, ein beliebiger Fuß. Aber das Leben ist ein Leben. Und Asko ist ein reicher Mann – gefährlich. Er könnte andere Männer dafür bezahlen, um mich im Krankenhaus umzubringen; er könnte zu den Indern gehen, sie könnten ihm helfen.
DAS ZITTERN
Tränen springen aus Rebekkas Augen, wenn sie mich sieht. Solja ist sehr still. Katriina sagt: »Ich habe mit dem Oberarzt gesprochen, mzee Kinabo. Wir bekommen Geld vom Projekt, um deine Medikamente zu bezahlen, du musst dir keine Sorgen machen.«
Katriina muss Jonas sehr hart bedrängt haben, wenn er mir hilft. Vielleicht mit der Drohung, mit seinen Töchtern zurück nach Schweden zu gehen, wo seine ganze Familie sagen kann, er … ja, auch als Familienvater ist Jonas eine Katastrophe.
»Was sagt Jonas?«
»Jonas hat auch mit dem Arzt geredet, denn der baut gerade ein Haus und benötigt Holz.« Jonas kann Bauholz oder ein paar Möbel versprechen, gratis oder vielleicht einfach zu einem herabgesetzten Preis. Dann bekomme ich vom Arzt eine Sonderbehandlung. Selbstverständlich sollte der Arzt mich eigentlich umsonst behandeln, aber sein Lohn ist zu niedrig, und ein Arzt ist ein großer Mann, der viele Verpflichtungen gegenüber seiner Familie, der Frau, den Kindern, Nichten, Neffen, Vettern, Cousinen, Brüdern und Eltern hat – fast das ganze Dorf bedient sich aus seiner Brieftasche.
Katriina geht aus dem Zimmer, um Doktor Freeman zu suchen, er soll mich nicht aus den Augen lassen.
»Geht’s euch gut?«, frage ich die Kinder.
»Du bist fast tot«, sagt Rebekka und fängt an zu weinen.
»Zu Hause streiten sie sich die ganze Zeit«, sagt Solja.
»Wieso?«
»Weil Titas Kind aussieht wie Schokolade. Also hat es ein schwarzer Mann gemacht.« Solja schaut mich an. »Warst du es?«
»Das weiß ich nicht.«
Sie denkt eine Weile darüber nach.
»Wenn du es nicht weißt, dann weil …«, sagt sie und bricht ab, schaut weg und denkt noch einen Moment nach, bevor sie weiterredet: »Asko ist wütend auf Mutter, und Jonas ist auch wütend auf Mutter.«
»Warum sind sie denn wütend auf eure Mutter?«
»Weil sie dich ständig zu Tita geschickt hat, um ihr bei irgendetwas zu helfen«, sagt Solja. Rebekka hat aufgehört zu weinen. »Aber dann sagt Mutter: ›Woher sollte ich denn wissen, dass sie mit ihm vögelt? Außerdem wissen wir doch gar nicht, ob er es war.‹«
Diese Solja, erst zwölf Jahre alt und versteht alle Ungeheuerlichkeiten um sie herum. Und die kleine Rebekka wird Zeugin der Auflösung – und ist nicht einmal drei Jahre alt.
Katriina betritt wieder das Krankenzimmer. Sie bittet Solja, Rebekka mit nach draußen zu nehmen. Sie sollen in den Innenhof gehen, ein bisschen frische Luft schnappen und dort auf sie warten. Katriina setzt sich auf einen Stuhl, seufzt und schüttelt den Kopf.
»Ist die Polizei hier gewesen?«
»Nein«, sage ich.
»Aber sie werden den Unfall untersuchen.«
»Nein.«
Sie sieht mich an. »Wieso nicht?«
»Kann man bezahlen, hat man kein Problem mit der Polizei«, sage ich. Asko hat sie bezahlt – er kann sie sogar dazu bringen, zu sagen, ich müsse seine Stoßstange ersetzen, weil mein Körper sie zerbeult hat.
Ich könnte auch Männer bezahlen, um Asko verprügeln zu lassen, aber ich kann es mir nicht leisten, ihn umzubringen – das ist teuer, wenn der Mann weiß ist. Und ich brauche mein Geld, um im KCMC zu überleben. Was kann ich tun?
Sowie Katriina gegangen ist, kommt Claire.
»Hej, Marcus«, sagt sie und lächelt. Ich bin total voller Tränen.
»Du wirst schon wieder gesund«, sagt Claire und wischt mir die Tränen von den Wangen. »Du musst dir keine Sorgen machen.«
»Du bist ein gutes Mädchen. Ich bin sehr froh, dass du da bist.«
Wir reden sehr liebevoll miteinander, und ich denke daran, dass Claires Gott für die Sexualität ausgesprochen lästig ist. Aber er hat ein gutes Mädchen geschaffen, mit echten Gefühlen für ihren Nächsten. Claire muss bald gehen.
»Du
Weitere Kostenlose Bücher