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Liberty: Roman

Liberty: Roman

Titel: Liberty: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbob
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Menschen.
Christian
    Der Alte ist stocksauer auf mich, weil ich in der Schule erwischt worden bin, als ich außerhalb der erlaubten Stellen geraucht habe. Die ewige Leier: »Nur die Dummen werden erwischt.« Er ist ja im Verwaltungsrat. Jetzt hat er dafür gesorgt, dass ich im Moshi Club nicht mehr anschreiben darf, wenn ich Squash gespielt habe. Ich soll entweder dehydrieren oder Wasser aus dem Hahn trinken, bis es mir ein paar Stunden später wieder aus dem Hintern spritzt. Oder ein bisschen Bares aus seinen Taschen klauen. Er selbst schreibt reichlich auf diese Rechnung. Bier und Whisky. Ich gehe an seine Taschen. Das Motorrad liegt auch brach, weil Benzin unmöglich zu beschaffen ist. Nordic Project hat Angestellte, die die ganze Nacht in den Schlangen vor den Tankstellen stehen, sollte zufällig ein Tankwagen auftauchen.
    Ich will Marcus im KCMC besuchen. Der Weg zieht sich durch das Wohnquartier der Ärzte: eintönige Reihenhäuser mit großen Gärten, die zusammen mit dem Krankenhaus gebaut worden sind. Man sieht genau, wo die westlichen Ärzte wohnen, dort werden die Gärten von Gärtnern gepflegt. Den Afrikanern ist so etwas egal. Mein T-Shirt ist hinten schweißnass. Die Sonne bohrt sich in den Schädel, es ist die heißeste Zeit des Tages. Ich komme zum Krankenhaus und gehe hinein. Die Luft ist kühl, stinkt aber nach Krankheit und Desinfektionsmitteln. Als ich Marcus das letzte Mal gesehen habe, lag er fast im Koma und redete wirres Zeug. Katriina sagt, er könne jetzt sprechen; er liegt auf der Intensivstation, ein Teil seiner Eingeweide wurde entfernt, und wenn er eine Infektion bekommt, kann er sterben.
    Eine Krankenschwester zeigt mir den Weg. Ich gehe in den Raum – wie ein Schlafsaal, Metallbetten an den Wänden. Ein paar Patienten sehen mich teilnahmslos an. Ich kann ihn nicht entdecken und will wieder gehen.
    »Willkommen im Wartezimmer des Todes«, sagt eine Stimme. Ich sehe hin. Marcus? Ein schwarzgrauer, haarloser KZ -Häftling starrt mich müde an. Die Augen schimmern dunkel und leer in dem eingefallenen Gesicht. Ich sehe mich um. Er ist es. Haben sie vergessen, die Toten hinauszutragen? Ich gehe weiter. Konzentriere mich auf Marcus. Er versucht zu lächeln, aber alles, was ich sehe, ist ein Schädel, der aus dem Körper herauszustechen scheint und frei schweben will; eine Blutader spannt sich über die kahle Kopfhaut. Er versucht, sich im Bett aufzurichten, und stöhnt vor Schmerz auf.
    »Wo sind deine Haare?«
    »Ausgefallen.«
    »Meine Fresse!«, entfährt es mir. Marcus antwortet nicht. Was soll er auch sagen? »Ist es wahr?«, will ich von ihm wissen. Er schaut mich an. Wonach frage ich? »Dass du Tita ein Kind gemacht hast?«
    »Ja«, erwidert er. »Ich habe das weiße Fleisch mit schwarzer Farbe vollgepumpt.«
    »Sie ist alt«, wende ich ein. Obwohl ich auch schon an sie gedacht habe. Oftmals.
    »Viel chiki-chiki «, sagt Marcus mit einem kleinen Lächeln.
    »Stimmt es, dass Asko eine Frau in einem Haus hat wohnen lassen, damit er sie, wann immer er wollte, besuchen konnte?«
    »Ja. Unten an der Uru Road. Chantelle. Sehr tüchtige malaya .«
    »Hat Jonas auch so was?«
    »Jonas will nicht so viel Geld für Schwarzes ausgeben. Er pumpt nur hinten in seinem Land Cruiser – du hast es ja gesehen.«
    »Aber …« Ich bleibe stecken.
    »Alle weißen Männer. Mit Ausnahme deines Vaters, vielleicht. Er ist nicht auf die dunkle Seite gewechselt. Noch nicht.« Marcus grinst. Starrt an die Decke.
    Am Nachmittag gehe ich an Vaters Schubladen und finde ein paar Schillinge. Abends teile ich ihm mit, dass ich mit Sharif ins Kino gehe. Die Geldscheine stopfe ich in meine Socken, so laufe ich nach Majengo – den größten Teil des Wegs kann niemand mich sehen, weil der Himmel nicht sternenklar ist und der Mond nicht scheint. Ich gehe zu der Straße mit den Bars. Mein Herz hämmert, fast habe ich das Gefühl, mich erbrechen zu müssen. Sie sitzt an einem Tisch mit einem großen dünnen Mädchen. Es ist noch früh, es ist nicht viel los. Ich überquere den Feldweg. Das dünne Mädchen gibt Scola ein Zeichen, und sie dreht sich so, dass ich ihre großen Brüste an ihrem schmächtigen Körper sehen kann. Sie lächelt wie eine Katze.
    »He, mzungu , hast du mich vermisst?«
    »Komm«, sage ich – meine Stimme klingt schrill. Langsam steht sie auf und kommt auf mich zu. »Komm«, sage ich noch einmal und gehe in Richtung Guesthouse.
    »Warte«, antwortet sie mit einer Hand auf meinem Arm. »Wie viel Geld

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