Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liberty: Roman

Liberty: Roman

Titel: Liberty: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbob
Vom Netzwerk:
wir dich nicht wieder zurückholen, dich nicht wecken.« Alle Punkte, an denen sie einen Tropf in mich hätten hineinstecken können, waren unbrauchbar; Haut und Muskeln hart von den Verwüstungen, die die Nadeln hinterlassen haben. »Wir mussten zur letzten Möglichkeit greifen und statt der Hände und Unterarme den Hals benutzen.« Die Operation dauerte fast drei Stunden. Drei Stunden, nur um innen alles in Ordnung zu bringen. Den Bauch aufzuschneiden und wieder zusammenzuflicken, ist nicht schwer – das Problem ist, dass ich gleichzeitig wegen anderer Dinge fast sterbe, die aufhören zu funktionieren. »Dich zusammennähen und hinterher bist du tot, hilft ja auch nichts«, sagt mein Arzt und lacht laut.
    »Aber … was habt ihr aufgeschnitten?«
    »Wir haben einen Teil des Magens abgeschnitten, ihn wieder zusammengenäht und jede Menge Gedärm entfernt, weil es komplett zerstört war.«
    »Aber warum? Ihr hättet mich fragen sollen, ich wollte meinen Darm nicht loswerden, ich brauche ihn.«
    »Wenn wir es nicht getan hätten, wärst du jetzt tot. Und diese Krankheit hast du dir selbst zuzuschreiben«, sagt er wütend. Durch zu viele Gedanken habe ich Chemikaliensaft in meinem Magen produziert. Magensäure. Der Juice ist dazu gedacht, der Verdauung zu helfen, aber zu viel darf es nicht sein. Das Zeug verhilft dir zu Magengeschwüren. Stressprodukt. Ich hatte ein großes Geschwür in meinem Magen produziert, im Darm. Ich hatte mich selbst vollkommen vernichtet. Mein Kopf war kurz vorm Explodieren, aber der Kopf ist lediglich ein Signal gewesen, dass irgendwo anders etwas nicht in Ordnung war. Und ich hatte die Tabletten gegen die Kopfschmerzen überdosiert. Total. Und je größer die Überdosis wurde, desto mehr Juice produzierte ich: doppeltes Gift. Das Geschwür explodierte.
    »Magen und Darm sind nachhaltig geschädigt. Du wirst noch lange Probleme damit haben«, sagt mzee Kinabo.
    Ich muss mich von Nechi verabschieden. Die Familie hat ihm ein Stipendium auf einer Universität in Kanada verschafft. Sein großer Bruder ist Unterboss auf der Polizeischule geworden, jetzt trifft er den Justizminister und kratzt ihm den Rücken wie der tüchtigste Speichellecker. Und der Minister mag das und wirft der Nechi-Familie sofort einen Knochen zu – ein Stipendium für den kleinen Bruder. Wer soll mir jetzt mein Essen bringen? Nechi war bisher meine Rettung, nun könnte das KCMC mich umbringen.
    BLUTSPENDEN
    Die Tagelöhner am West-Kilimandscharo haben von meiner neuen Katastrophe im Bauch gehört. Wir sind Freunde. Fast dreißig kommen ins KCMC , um Blut für mich zu spenden. Ich weine: Die Hilfsbereitschaft der Leute geht direkt in meine Blutbahn. Jonas wird es nie verstehen: Du hilfst nicht nur gegen Bezahlung, sondern weil es dir eine menschliche Freude bereitet, die spirituell ist und dich von den Tieren unterscheidet.
    Die Blutbank liefert einen Bericht an die Ärzte: So und so viele Menschen haben so und so viel Liter Blut gespendet, das für Marcus bestimmt ist. Das ist gut, denn in Tansania gibt es viele Probleme mit Blut – manchmal ist es falsch oder voller Krankheiten, und dann ist die Transfusion riskant. Stirbst du, weil du trocken fällst, oder stirbst du, weil das neue Blut eine frische Krankheit bringt? Und sie haben keine ordentlichen Maschinen, um das Blut zu kontrollieren und zu behandeln.
    Und ich, ich habe vielleicht zwanzig Liter Blut bekommen. Am Anfang habe ich mir den Beutel mit dem Blut angesehen und las den Namen eines Mannes, den ich nicht kannte. Litt er an sämtlichen Krankheiten des Buschs? Nun bekomme ich Blut von Männern, bei denen ich davon ausgehe, dass sie auf anständige Art und Weise leben. Aber was weiß ich über deren Nächte?
    Am Sonntag bekomme ich auf der Intensivstation Besuch vom Boss der Tagelöhner, bwana Omary; er erzählt mir von Jonas’ Reaktion: »Er hat sofort gesagt: ›Allen, die nach Moshi gefahren sind, wird ein Tag vom Lohn abgezogen.‹ Und ich habe geantwortet: ›Aber wir sind gefahren, um Ihren Mitarbeiter zu retten, Marcus. Er wäre verdorrt.‹ Und Jonas hat gesagt: ›Die Aufgabe der Arbeiter ist es, Bäume zu fällen, nicht Blut zu spenden. Marcus ist selbst schuld an seinen Problemen.‹«
    Omary schüttelt den Kopf über diesen Jonas, der immer blind ist für die großen Zusammenhänge, wenn sie seinen kleinen Einsatz erfordern. Die Schweden haben ihn nach Tansania geschickt, um zu helfen, aber Jonas fällt nicht nur Bäume – er fällt

Weitere Kostenlose Bücher