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Licht

Titel: Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. John Harrison
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durchsichtig geworden wie die Schaufensterscheibe des Schreibwarenhändlers, und die Reisen waren allzu leicht zu entpacken. Er war zwanzig Jahre alt und fand die glatte gelbe Stirnseite eines Intercity, der im Sonnenschein auf den Bahnsteig zubrauste, ganz und gar nicht mehr aufregend. Er hatte in allzu viel überhitzten Räumen geschlafen, in allzu viel Bahnhofcafes gegessen. Hatte auf allzu viele Verbindungen gewartet.
    Er stand, ohne sich dessen bewusst zu sein, vor seiner nächsten großen Metamorphose.
     
    »Verstecken wir uns wirklich?«, fragte Anna.
    »Ja.«
    Sie kam und stellte sich vor ihn, ganz nahe, sodass er die Wärme ihrer Haut spüren konnte.
    »Bist du sicher?«
    Vielleicht war er sich nicht sicher. Vielleicht wartete er. Jede Nacht, wenn sie schlief, saß er draußen am Monster Beach. Falls er auf seinen Rachegott wartete, wurde er enttäuscht: Diesmal ließ er sich nicht blicken. Zwischen ihm und ihm hatte sich etwas geändert, ein für alle Mal. Zum ersten Mal – obwohl er bei dem Gedanken von Furcht geschüttelt wurde – ermunterte er den Shrander, ihn einzuholen. Spürte er ihn innehalten? Den Kopf wenden, um ihm jetzt und hier so verständig wie ein Vogel zuzuhören? Ob er sich wunderte, dass Kearney Streit suchte?
    In den Nächten da draußen auf den Dünen wartete er lediglich und sah zu, wie die Wellen unter dem kühlen Glanz der Sterne pausenlos heranrollten und sich verliefen. Kalte anlandige Winde griffen in den Sand und ließen ihn fauchend zwischen das Helmgras rieseln. Dann eine zitternde Lumineszenz… Kearney hatte eine Neigung, alles ins Endlose zu projizieren: Der Strand wurde ihm zur Metapher für eine ganz andere Übergangszone oder Grenze, für einen Strand, an dem sich das ganze Universum brach. Was für Monster mochten dort angeschwemmt werden? Jedenfalls kein Riesenhai, dessen halb verwester Kadaver 1970 hier angeschwemmt worden war. Auch kein Plesiosaurus, für den man ihn im ersten Übereifer gehalten hatte. Die meisten Nächte kehrte er ins Haus zurück und nahm die Festplatte heraus, auf der Brian Tates letzte Daten gespeichert waren. Meistens drehte und wendete er sie eine Zeit lang im kalten blauen Schein des Fernsehschirms, ehe er sie zurücklegte. Einmal hatte er sie mit seinem Laptop verbunden, schaltete aber keines der Geräte ein und ging stattdessen ins Schlafzimmer und streckte sich angezogen neben Anna aus und schob die Hand über ihre Scham und drückte sanft zu, bis sie schlaftrunken stöhnte.
    Tagsüber ließ er die alten Aufnahmen laufen oder zappte durch die TV-Kanäle auf der Suche nach irgendwelchen Nachrichten aus Wissenschaft und Technik. Alles schien ihn zu amüsieren. Anna wusste nicht, was sie davon halten sollte. Eines Morgens beim Frühstück, da wollte sie es wissen: »Wirst du mich töten, was meinst du?«
    »Ich denke, nein«, gab er zur Antwort. »Nicht jetzt.« Dann sagte er: »Ich weiß nicht.«
    Sie legte ihre Hand über die seine.
    »Du wirst, das weißt du«, sagte sie. »Zum Schluss wirst du nicht in der Lage sein, dich aufzuhalten.«
    Kearney starrte aus dem Fenster aufs Meer hinaus.
    »Ich weiß es nicht.«
    Sie nahm ihre Hand fort und kapselte sich den ganzen Morgen ab. Ausflüchte brachten sie immer durcheinander und machten sie, wie er fand, böse. Das hatte mit ihrer Kindheit zu tun. Im Grunde hatte sie dasselbe Problem mit dem Leben wie er; ohne große Zuversicht hatte sie etwas gesucht, das ihr anspruchsvoller erschien. Aber das war nicht die ganze Erklärung. Sie hatten die Normen ihrer Beziehung hinter sich gelassen, sie hatten keine Ahnung, was sie mit dem jeweils anderen anfangen sollten. Er wollte nicht, dass sie gesund war. Sie wollte nicht, dass er zuverlässig oder gutmütig war.
    Nachts umkreisten sie einander auf der Suche nach einer Schwachstelle, auf der Suche nach weniger normalen Verhaltensweisen, um sie einander aufzudrängen. Anna verstand sich darauf. Aus dem Hinterhalt ihres strahlenden, verletzlichen Lächelns überraschte sie ihn mit der Einladung: »Möchtest du deinen Schwanz bei mir reinstecken?«
    Sie hatten die Patchworksteppdecke vom Bett genommen und vor den Kamin gelegt, in dem Treibholz zu purer weißer Asche herunterbrannte. Anna, fast genauso weiß, lag halb auf der Seite im Schein des Feuers. Er blickte nachdenklich auf die Mulden und Schatten ihres Körpers hinunter.
    »Nein«, sagte er. »Ich glaube nicht, dass ich das möchte.«
    Sie biss sich auf die Lippe und kehrte ihm den Rücken

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