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Licht

Titel: Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. John Harrison
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dem Blick der Erfassungssysteme wie Diagramme, wurden in sieben Dimensionen um soundso viel Grad versetzt, bis sie auch wie Blumen erblühten. Aus Sicht der Ziele schien die White Cat, obwohl sie es nacheinander tat, gleichzeitig auf drei oder vier verschiedenen Bahnen aus dem Nichts zu kommen, und zwar in einem Nebel aus Ködern, falschen Signalen und frei erfundenen Befehlssequenzen, einem Schaum aus Code und Vernichtung, der keinen Zweifel ließ. »Jungs, eins ist klar«, sagte sie voller Selbstmitleid, »ich weiß selbst nicht, wo mir der Kopf steht.« Die Norma Shirike, verzweifelt bemüht, Verbindung zu halten, zerstob zu einer Wolke aus Pixeln, wie ein Puzzle, das ein heftiger Windstoß vom Tisch fegt. Die Kris Rhamion und die Sharmon Kier ergriffen überstürzt die Flucht und stießen in dem Bemühen, einander nicht zu rammen, mit einem kleinen Asteroiden zusammen. Plötzlich trieb nur noch ein heilloses Durcheinander aus großen und kleinen Trümmern im Nichts. Alles hatte zerfetzte Ränder. Nichts sah nach einem Menschen aus, egal bei welcher Vergrößerung. Der örtliche Raum kühlte ab, hatte aber immer noch Grilltemperatur, wetterleuchtete, glitzerte von exotischen Partikeln und Phasenzuständen. Es war wunderschön.
    »Ich liebe diesen Zustand«, sagte sie.
    »Dir bleiben noch drei Millisekunden«, warnte die Mathematik. »Und alle haben wir nicht erwischt. Ich glaube, einer hat das System verlassen. Und Moire selbst lauert auch noch irgendwo.«
    »Lass mich noch.«
    »Das geht nicht.«
    »Lass mich, oder alles war umsonst. Er hat die anderen als Köder benutzt und ist relativ spät auf Schiffszeit umgestiegen. Alles, was er brauchte, waren ein oder zwei Millisekunden, um mich abzuschießen, während ich aus der Schiffszeit aussteige.« Eine Bilderbuchtaktik, und sie war drauf reingefallen. »Moire, du Mistkerl, ich weiß genau, was du vorhast!« Zu spät. Sie agierte wieder in Normalzeit. Das Tankproteom, bespült mit Nährstoffen und hormonalen Tranquilizern, war bemüht, Seria Maú wieder instandzusetzen. Schlaf wollte sie übermannen. »Scheiße«, sagte sie mehr zu sich selbst als zur Mathematik. »Scheiße, Scheiße, Scheiße!« Auf den Radiofrequenzen kam Gelächter herein. Vor ihr flackerte flüchtig das Double von Krishna Moire auf, es trug die blassblaue Uniform der Sturmabteilung.
    »He, Seria Maú«, sagte er. »Du fragst dich, was das soll? Jemand wünscht dir ›Gute Nacht‹, eine scheiß guteNacht.«
    »Da ist er«, sagte die Mathematik.
    Moires Schiff flackerte auf sie zu, im Slalom durch die Trümmer. Es sah aus wie ein Gespenst. Es sah aus wie ein Hai. Sie konnte nichts dagegen tun, was schnell genug gewesen wäre. Die White Cat drehte und wand sich in Panik, nicht anders als es ihre Opfer getan hatten. Dann flammte ein Lüster aus abertausend Leuchtkugeln auf und die Krishna Moire wurde hinweggefegt, eine schwarze Nadel, die sich vor der abflauenden Helligkeit der Explosion überschlug und überschlug. Im selben Augenblick wurde Seria Maú gewahr, dass etwas Riesiges neben der White Cat materialisiert hatte. Es war der nastische Kreuzer, seine weitläufige Außenhaut, die so schimmlig aussah wie faulendes Fallobst in einem Garten und auf der es noch immer von automatischen Reparatureinheiten wimmelte.
    »Jesus«, sagte sie. »Er hat ihn weggepustet. Onkel Sip hat einen von seinen eigenen Leuten ausgeknipst.«
    »Ich glaube nicht, dass es Onkel Sip war«, sagte die Mathematik. »Der Befehl kam von woanders im Schiff.« Ein trockenes Lachen. »Da drinnen herrscht ein Zweikammersystem.«
    Seria Maú war gerührt, als sie das hörte.
    »Der Kommandant war es«, sagte sie. »Er hat mich immer gemocht. Und ich hab ihn auch immer gemocht.«
    »Du magst überhaupt keinen«, sagte die Mathematik lakonisch.
    »Normalerweise nicht«, gab Seria Maú zu. »Aber heute bin ich ziemlich aus dem Gleichgewicht. Ich weiß selbst nicht, was mit mir los ist.« Dann sagte sie: »Wo ist dieser Scheißkerl, dieser Moire?«
    »Irgendwo in den äußeren Schichten des Gasriesen. Er hat es geschafft, auf der Verdünnungswelle zu surfen. Er ist beschädigt, aber sein Antrieb funktioniert noch. Willst du ihm nachsetzen?«
    »Nein. Mach ihn alle!«
    »Wie bitte?«
    »Mach den Scheißkerl alle!«
    »?«
    »Willst du was erledigt haben«, seufzte Seria Maú, »mach es selbst. Da.« Eine der komplexen Außenaufbauten der White Cat klinkte eine Lenkwaffe aus; das Geschoss verharrte den Lidschlag, den es brauchte, um

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