Licht
einem mütterlich ironischen Ausdruck auf ihn herunter. Sie zündete sich eine Zigarette an und paffte sie kopfschüttelnd. Sie ließ ihn nicht aus den Augen. Wäre sie eine richtige Frau gewesen, hätte man meinen können, sie versuche ihn zu verstehen.
»Tja, Ed. Zeit in die Gänge zu kommen«, sagte sie schließlich.
Ein paar weißliche Stäubchen schienen aus ihren Augen zu treiben. »Na ja, jetzt bräuchten wir eigentlich Musik«, sagte sie. »Etwas Getragenes.« Sie hob die Hand. Die Geste hob Ed sanft aus dem Sessel und beförderte ihn im Schritttempo zur nächstbesten Luke, die, als sie aufschwang, die Luft aus dem ganzen Schiff evakuierte. Nebst Ed. Er schien nichts davon mitzubekommen, was vielleicht ganz gut war. Ein wenig später lag er in der Luft – völlig horizontal, Beine zusammen, Hände auf der Brust gefaltet, ganz wie zum Begräbnis –, zwei oder drei Fuß über der Oberfläche des Asteroiden.
»Hübsch«, sagte Sandra Shen. »Du siehst hübsch aus, Ed.«
Sie hob ihr Gesicht gegen das grelle Inferno des Trakts, vor dem die Perfect Low nicht mehr als ein undeutlicher Schemen war.
»Dich brauche ich jetzt nicht mehr«, erklärte sie dem Schiff.
Es manövrierte für ein, zwei Sekunden; die knappen nadelscharfen Impulse der Fusionsprodukte machten für Augenblicke die Sarkophage der Aliens sichtbar. Kaum stand die Purpurwolke, verschwand das Gespann von der Bildfläche.
Sandra Shen starrte ihm nach. Einen Moment lang schien sie tieftraurig und keine Lust zu verspüren, irgendwelche Entscheidungen zu treffen. »Rauche ich noch eine Zigarette?«, fragte sie Ed. »Nein, ich finde nicht.« Sie war unruhig, gereizt: nicht ganz sie selbst. Auch ihr Schatten wurde für ein, zwei Sekunden unruhig. Ihre Hände beschäftigten sich mit dem Kleid. Oder war es das Kleid? Vielleicht war es mehr als das. Dann schien alles Funken zu verströmen. Sie seufzte ungehalten, dann schien sie lockerer zu werden.
»Wach jetzt auf, Ed«, sagte sie.
Als Ed aufwachte, stand er auf der Krümmung einer kleinen Welt unter dem furiosen Lichtspektakel des Kefahuchi-Trakts.
Über ihm wuchsen und stürzten feurige Pfeiler-Farbsymphonien; Farben, die nichts miteinander zu schaffen hatten; farbige Kathedralenfenster. Ein Stück weit abseits, beleuchtet, wie er es nicht beschreiben konnte, lag ein K-Schiff, Antrieb auf Parkbetrieb, Hülle schimmernd vor Anstrengung, die Bewaffnung zu kaschieren. Und er bemerkte noch etwas: das vollständige Skelett eines Menschen, bräunlich, an den Knochen noch kleine Stofffetzen und teerschwarze Knorpelreste. An Eds Schulter stand – seltsam und ungewiss in dem wütenden, unbarmherzigen Licht, das allerdings nicht mehr so bedrohlich wirkte wie eben noch –, da stand die Entität, die zuweilen als ›Sandra Shen‹, zuweilen als ›Dr. Haends‹, doch für die allermeisten ihrer kurzfristigen Gefährten als ›der Shrander‹ in Erscheinung getreten war. Ed sah sie von der Seite an. Er registrierte die kleine rundliche Figur, den kastanienbraunen Wollmantel, an dem die Knöpfe fehlten; den Kopf, der ein Pferdeschädel war, mit Augen wie Granatapfelhälften.
»Hoppla!«, sagte er. »Gibt es dich wirklich?«
Er betastete seinen Körper. Das Wichtigste zuerst.
»Mich auch?«, sagte er. Dann: »Wir sind uns schon einmal begegnet.« Er bekam keine Antwort, massierte sein Gesicht. »Ich weiß, dass wir uns schon mal begegnet sind.« Er machte eine unbestimmte Geste. »Das alles hier…«, sagte er.
»Toll, was?«, sagte sie. »Und so wie hier ist es überall.«
Das meinte Ed aber nicht. Er meinte, so weit, wie er gereist war, hatte er gar nicht vorgehabt zu reisen.
»Wo bin ich?«
»Das«, sagte sie mit einem Anflug von Vergnügen, »weiß ich auch nicht! Es gibt so viele Orte, findest du nicht?«
»He«, sagte Ed. »Du bist Sandra Shen.«
»Die auch, ja.«
Ed gab auf. Reichte es denn nicht, wenn er nett zu sich selbst war? Na also. Doch die Entität schien umgänglich und einfühlsam, und Ed fühlte sich schon bald viel sicherer als kurz nach dem Erwachen. Das wiederum ließ ihn an einen zweiten Anlauf denken. Also überlegte er kurz und sagte: »Du bist aus der K-Kultur, hab ich Recht? Ihr seid gar nicht tot. Das ist des Rätsels Lösung.«
Er besah sie von der Seite, fast ehrfürchtig.
»Was bist du denn nun?«
»Ach«, sagte sie. »Ich glaube kaum, dass du die Antwort verstehen würdest. Was immer ich bin, ich bin der Letzte meiner Art. So viel steht fest.« Sie seufzte. »Alles
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