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Licht

Titel: Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. John Harrison
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Innern der Mathematik über die Brücke bis in die Wetware standen mir zehn Raum- und vier Zeitdimensionen zur Verfügung. Ich war haloweit, zeitlich hüpfte ich vorwärts und rückwärts wie ein Jojo. Ich konnte intervenieren.«
    »Wozu?«
    »Es ging um euch, Ed. Alles, was wir hatten, waren Aminosäuren, darauf haben wir aufgebaut. Wir haben uns überlegt, was uns fehlen könnte, und eure Vorfahren so geplant, dass sie sich zu dem entwickeln konnten, was wir allzu gerne gewesen wären. Es war ein Langzeitprojekt, eines von vielen hier draußen am Strand. Na ja, vielleicht nicht so augenfällig wie neue Sonnen bauen. Aber hat denn irgendeins von diesen Projekten wirklich funktioniert? Sieh dich um; ich würde sagen: nein. Wir dachten, unsere Investition hätte eine Chance, Ed. Das Projekt war preiswert und elegant dazu; interessanter noch: Wir haben das Universum mit ins Boot genommen und einiges dem Zufall überlassen. Und seither passe ich auf, verstehst du?«
     
    Der Kefahuchi-Trakt.
    Eine Singularität ohne Ereignishorizont. Eine Gegend, die alle verletzten Gesetze des Universums erbricht, lauter schnöde Zauberutensilien, Magie, die funktioniert oder nicht, unzuverlässiges Zeug aus dem Fenster eines Retroladens. Mit solchen Ideen konnte man nichts anfangen, doch man konnte nicht aufhören, es zu versuchen. Man konnte nicht aufhören, sie in Betracht zu ziehen.
    Eds visueller Kortex, angeregt wie ein Ionenpaar in einem Tate-Kearney-Apparat, halluzinierte in dem gigantischen Wetterleuchten Würfelsymbole. Er sah die Zwillinge, einen Pferdekopf, einen Klipper in aufgetürmten Wolken. Unter diesen Symbolen von Glück und Pech erstreckte sich, meist eben und unter einer Schicht aus feinem weißem Staub, die Oberfläche des Asteroiden (oder was immer es war). Hier und da waren Reste niedriger, rechteckiger Bauwerke zu sehen, die Fundamente auf drei Zentimeter abgetragen durch unbekannte Erosionskräfte, die vom Trakt ausgingen. Rings um diese Gevierte verstreut zeichneten sich in diesem Goldgräberparadies die Umrisse von kleineren Artefakten ab, die Kanten und Ecken vom Staub gerundet, jedes ein kleines Vermögen wert in den Chopshop-Labors von Motel Splendide.
    Er versuchte sich vorzustellen, er sei selbst ein Artefakt.
    Er ging auf die Knie und legte sein Ohr an die Oberfläche. Tief drunten hörte er den K-Code singen, es hörte sich an wie ein Chor.
    »Du bist immer noch da unten«, sagte er tonlos.
    »Da unten und sonst überall. Also was hast du nun vor, Ed?«
    Ed richtete sich auf.
    »Was ich vorhabe?«
    Die Entität lachte. »Ich hab dich nicht hergebracht, nur damit du große Augen machst«, klärte sie ihn auf. »Wenn du wüsstest, was es aus thermodynamischer Sicht kostet, dich an diesem… diesem…« – sie suchte nach einem passenden Wort – »diesem legendären Ort nur am Leben zu erhalten, du würdest erbleichen. Nein, ehrlich, Ed. Es wäre mir ein Vergnügen gewesen, dich einfach nur herzubringen, aber das allein würde nicht die Kosten rechtfertigen.«
    »Und?«, sagte Ed. »Das heißt?«
    »Sei nicht naiv, Steady Eddy. In deinem Leben gibt es keinen Stillstand. Entweder du gehst weiter oder du gehst unter. Was darf es sein?«
    Ed grinste. Jetzt hatte es bei ihm geklingelt. »Du bist auch im Twinktank gewesen«, sagte er. Er gluckste. »Rita Robinson!«, entsann er sich. »Ich wette, du warst auch Rita Robinson.« Er schlenderte zu der Stelle hinüber, wo das Gerippe lag, kniete sich in den Staub und berührte die bräunlichen Knochen. Er zog einen kleinen verblichenen Stoffstreifen von den Rippen, ließ ihn fallen und sah zu, wie ihn die schwache Schwerkraft übermannte.
    »Also zum Beispiel«, sagte er. »Was hat es damit auf sich?«
    »Ach ja«, sagte die Entität. »Kearney.«
    »Kearney?«, sagte Ed. »Jesus. Doch nicht der Kearney?«
    »Nun war da jemand, der vor sich selbst davonlief«, sagte sie elegisch. »Übrigens genau das, wovon ich rede. Er war so vielversprechend als Kind und trotzdem ein Feigling sondergleichen. Ich habe erlebt, wie er aus dem Nichts aufgelodert ist, nur um gleich wieder zu erlöschen. Als hätte jemand das Licht ausgeknipst. Oh, ich weiß, was du sagen willst, Ed. Er und Brian Tate haben dich und deinesgleichen hierher gebracht. Ohne ihn hättet ihr keine Quantenmaschinen. Auch keine nennenswerte Parallelverarbeitung. Und ohne das alles hättet ihr euch nie zurechtgefunden. Doch am Ende war er eine Enttäuschung, Ed, glaub mir: Er hatte einfach zu viel Angst

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