Licht
hat.« Sie war überrascht, weil er sie so schnell durchschaut hatte. Er lächelte, weil er sie überrascht hatte. »Was kann ich für Sie tun?«
Seria Mali sah beiseite. Sie mochte es nicht, wenn man sie so rasch durchschaute, zumal auf so einem Schrotthaufen in der Radio Bay am Arsch der Welt. Außerdem, selbst virtuell kam sie mit diesen Augen nicht zurecht. Sie kannte sich aus mit der Leibhaftigkeit, egal was die Schattenoperatoren sagten. Das war Teil des Problems. Und als sie dem Blick von Billy Anker begegnete, war sie froh, jetzt nichts zu besitzen, was hätte schwach werden können.
»Der Schneider schickt mich«, sagte sie.
In dem schmalen Gesicht dämmerte es.
»Sie haben die Dr.-Haends-Einheit gekauft«, sagte er. »Jetzt verstehe ich. Sie also haben sie gekauft, von Onkel Sip. Mist.«
Seria Maú unterbrach die Verbindung.
»Ein cleveres Kerlchen«, sagte der Klon.
»Das war eine private Unterredung«, wies Seria Maú sie zurecht. »Oder hast du Sehnsucht nach dem Vakuum?«
»Hast du die Hand gesehen? Wau.«
»Ich könnte dein Verlangen stillen«, sagte Seria Maú. Der Kerl ist zu fix, sagte sie sich und fuhr laut fort: »Gefiel dir die Hand denn? Ich fand es übertrieben.«
Der Klon lachte sarkastisch.
»Hat damit zu tun, dass du in einem Tank lebst.«
Seit sie ihre Meinung auf Perkins’ Rent geändert hatte, war Mona oder Moehne – so ähnlich hieß der Klon – in eine kurzatmige, bipolare Unruhe verfallen. War sie obenauf, hatte sie das Gefühl, ihr ganzes Leben werde sich ändern. Ihre Kleider wurden pinker und kürzer. Sie sang den ganzen Tag vor sich hin, Saltwater Dub wie ›Ion Die‹ und ›Touch-out Hustle‹ oder die schönen alten Outcaste Beats aus dem Zentrum. Und wenn sie ein Tief hatte, trieb sie sich im Quartier herum, knabberte an den Fingernägeln oder masturbierte zu irgendwelchen Holo-Pornos. Die Schattenoperatoren vergötterten und bemutterten sie in einem Ausmaß, das Seria Maú schon peinlich fand. Sie ließ sich von ihnen kostümieren, wie es Onkel Sips Töchtern zur Hochzeit angestanden hätte; sie ließ sie das Quartier mit Spiegeln im Toleranzbereich astronomischer Instrumente ausstaffieren. Ganz besonders war ihnen daran gelegen, für ihr leibliches Wohl zu sorgen. Sie war gescheit genug, die Bedürfnisse der Schattenoperatoren zu durchschauen und ihnen zu entsprechen. Wenn das Stimmungsbarometer ein Hoch anzeigte, dann weil sie sie allesamt um den kleinen Finger gewickelt hatte. Sie bekam ihr Elvis-Essen gemacht und ihre rückenfreien Lurex-Oberteile, die mit ihren Brustwarzen kokettierten. Sie brachte sie dazu, ihr mit einer kosmetischen Ruckzuck-Operation die Beckenbreite zu verändern. »Wenn du das so willst, Liebes«, sagten sie. »Wenn du meinst, es hilft.« Sie schienen zu jeder Schandtat bereit, nur um sie aufzumuntern. Sie würden alles tun, sie aus dem vorne bekleckerten Morgenrock herauszuhalten; sie würden sie sogar ermutigen zu rauchen, was selbst in Freihandelszonen seit siebenundzwanzig Jahren verboten war.
»Ich habe nicht mit Absicht zugehört«, sagte sie.
»Dieser Frequenzbereich ist ab sofort tabu für dich«, sagte Seria Maú genervt. »Und mach was mit deinem Haar.« Zehn Minuten später schickte sie ihr Double wieder nach Redline hinunter.
»Wir haben hier starke Interferenzen«, sagte er klugerweise. »Vielleicht wurden wir deswegen getrennt.«
»Gut möglich.«
Was immer Billy Anker getan hatte, was immer ihn berühmt gemacht hatte, zurzeit tat er kaum etwas in dieser Richtung. Er hauste in seinem Schiff, der Karaoke Sword, die sich vermutlich nie mehr von Redline trennen würde. Die Neon-Vegetation, bläulich, bleich und kräftig, wucherte über die halbe Meile, die das Schiff lang war, wie radioaktiver Efeu über eine kannelierte Steinsäule. Die Karaoke Sword bestand vom Scheitel bis zur Sohle aus exotischen Metallen, zernarbt von zwanzigtausend Flugjahren und zehn Jahren Redline -Regen. Ihre Vorgeschichte lag im Dunkeln. Innen waren die Originalinstrumente mit terrestrischem Zeug überbrückt. Bündel von Kabelrohren, Drahtnester, Geräte, die aussahen wie vierhundert Jahre alte zugestaubte Fernsehschirme. Das war keine K-Tech. Das war so altmodisch wie Schrauben mit Muttern, aber alles andere als nostalgischer Tinnef. Außerdem gab es an Bord der Karaoke Sword keine Schattenoperatoren. Wenn etwas getan werden musste, dann musste man es selber tun. Billy Anker misstraute den Schattenoperatoren, wollte aber nie sagen,
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