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Licht

Titel: Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. John Harrison
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Antworten zu finden. Man fragte sich, warum ein Universum, das auf den ersten Blick so diszipliniert erschien, sich bei näherem Hinsehen als so beliebig entpuppte. Alles funktionierte. Wohin man auch sah, es war überall dasselbe. Man hoffte herauszufinden, warum das so war. Und während die Expeditionsteilnehmer Tode starben, die jeder Beschreibung spotteten, vom Trakt selbst zermalmt, geröstet, aufgeblasen oder reduziert zu Teilchenwolken, widmeten sich die kleineren Helden voller Enthusiasmus dem Strand wo sie auf die Radio Bay stießen. Sie fanden neue Technologien. Sie fanden die Reste uralter Rassen, mit denen sie umsprangen wie ein Bullterrierwelpe mit einem alten Knochen.
    Sie fanden künstliche Sonnen.
    Irgendwann in ferner Vergangenheit hatte der Raum dicht am Trakt so hoch im Kurs gestanden, dass es im Radio-Bay-Haufen bald mehr künstliche als natürliche Sonnen gab. Manche waren von woanders importiert, andere an Ort und Stelle erzeugt worden. Man hatte Planeten herbeigeschafft und in unnatürliche Orbits bugsiert, die so ausgeklügelt waren, dass der Trakt den jeweiligen Himmel beherrschte. Getrimmte Magnetfelder und aufgepeppte Atmosphären beschützten sie vor Strahlung. Zwischen den Planeten, unter dem wütenden Hagel der diversen Strahlungen, hangelten sich verwegene Monde durch ihre phantastisch komplizierten Orbits.
    Hierbei handelte es sich weniger um Sonnensysteme als um Leuchtfeuer und weniger um Leuchtfeuer als um Laboratorien und weniger um Laboratorien als um Experimente an sich: gigantische Detektoren, konstruiert, um auf die unvorstellbaren Kräfte zu reagieren, die sich aus einer entfesselten Singularität ergossen, wie man sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Zentrum des Trakts vermutete.
    Ein hochenergetisches Objekt, umgeben von 50.000 Kelvin heißen Gaswolken, das Jets und Schäume ausstieß, Hybriden aus baryonischer und nichtbaryonischer Materie. Seine Gravitationseffekte waren selbst noch im Zentrum der Milchstraße nachzuweisen. Es war mit den Worten eines Kommentators: »Ein Objekt, das bereits alt gewesen war, als in der unsäglichen Finsternis des frühen Universums die ersten großen Quasare zu verbrennen begannen.« Was immer es war, es hatte den Trakt ringsum in eine Region aus Schwarzen Löchern, riesigen natürlichen Attraktoren und Materieschrott verwandelt – in eine Brühe aus Raum und Zeit und würgenden Ereignishorizonten; in einen unberechenbaren Ozean aus Strahlungsenergie, aus Licht im allerweitesten Sinne. Wo die Naturgesetze, so es sie je dort gegeben hatte, außer Kraft gesetzt waren, war nichts unmöglich.
    Keine der uralten Rassen vermochte in den Trakt einzudringen und mit ihren Erkenntnissen zurückzukehren; versucht haben es alle. Alle haben versucht, dem Geheimnis auf den Grund zu gehen… Als die Menschen eintrafen, trieben sich in gebührendem Abstand bis zu fünfundsechzig Millionen Jahre alte Objekte und Artefakte herum, manche offenbar von Zivilisationen hinterlassen, die um Längen fremdartiger oder intelligenter gewesen waren als alles, was heutzutage in Sichtweite war. Alle hatten ihre Theorie im Gepäck. Kamen mit einer neuen Geometrie, einem neuen Antrieb, einer neuen Methode. Jeden Tag stürzten sie sich ins Feuer und verbrannten zu Asche.
    Orte wie Redline waren ihre Basis.
     
    Wer immer Redline gebaut hatte, wer immer seine aktinische, wütende Sonne gebaut hatte, konnte nicht einmal im weitesten Sinne menschlicher Natur gewesen sein. Hinzu kam, dass der Kunstplanet aufgrund seiner eigentümlichen Umlaufbewegung, die dazu diente, das Artefakt an seinem Südpol dauerhaft auf einen Ort tief im Zentrum des Kefahuchi-Trakts auszurichten, höchst unbekömmlichen Fliehkraftschwankungen ausgesetzt war. Auf Redline wurde es zweimal in fünf Jahren Frühling, in den nächsten zwanzig Jahren dauerte er ein volles Jahr; dann wurde es jeden zweiten Tag Frühling. Wenn es Frühling wurde, besaß er die Qualität von schäbigem Neonlicht. Dampfende radioaktive Dschungel und dämmrig blaue, von UV-Licht überspülte Wüsten schlossen wohl das meiste im Hinblick auf die unmittelbare Präsenz von Menschen von vorneherein aus. (Obwohl die Erforschung der Radio Bay eine derbe Metapher kannte, der zufolge die Unerschrockenen, die Pechvögel und die moralischen Analphabeten sich nach wie vor Hals über Kopf in schlecht vorbereitete Expeditionen stürzten. Auf der Suche wonach? Wer weiß. Im Handumdrehen verirrten sie sich in den Nebeln

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