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Licht

Titel: Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. John Harrison
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Maú war sich darüber im Klaren, dass sie etwas geben musste, um etwas zu bekommen, und zögerte die Antwort hinaus; dann sagte sie: »Ich war es nicht. Die Mathematik hat sie gestohlen.«
    Billy Anker lachte ungläubig.
    »Die Mathematik? Wie hab ich mir das vorzustellen?«
    »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Woher auch? Sie hat mich eingeschläfert. Das kann sie. Als ich aufwachte, waren wir abertausend Lichtjahre von wer weiß wo und blickten auf den Halo hinunter.« Sie war aus den üblichen, verwirrenden Träumen erwacht – in denen allerdings der Mann in Frack und Zylinder noch keine tragende Rolle gespielt hatte – und fand sich mitten im Nichts. Bei dieser Erinnerung schauderte sie in ihrem Tank. »Überall leerer Raum«, sagte sie. »Ich war vorher noch nie im leeren Raum. Sie haben ja keine Ahnung. Sie haben einfach keine Ahnung.« Sie erinnerte sich nur an den übergangslosen Ortswechsel, an Panikgefühle, die eigentlich nichts mit ihrer Situation zu tun hatten. »Wissen Sie«, sagte Seria Maú, »ich glaube, sie wollte mir etwas zeigen.«
    Billy Anker lächelte.
    »Das Schiff war also der Dieb«, sagte er mehr zu sich selbst. »Sie wurden gestohlen.«
    »Es sieht ganz so aus«, räumte sie ein.
    »Oh«, sagte sie, »ich war verdammt glücklich, dass man mich gestohlen hatte. EMC hatte ich sowieso satt. Die ganzen Polizeiaktionen in den Freihandelszonen! Die Erdpolitik stand mir bis hier. Vor allem hatte ich mich selbst satt…« Jetzt musterte er sie interessiert, also hielt sie inne. »Ich hatte noch eine Menge anderer Dinge satt, die Sie aber nichts angehen.« Sie suchte nach Worten. »Und trotzdem, auch wenn mich das Schiff gestohlen hatte – einen Plan hatte es nicht. Es hing da. Es hing einfach nur stundenlang im leeren Raum. Nachdem ich mich beruhigt hatte, brachte ich es in den Halo zurück. Wir fuhren volle Kraft voraus, monatelang. In den Monaten hab ich dann wirklich die Seiten gewechselt. Damals fing ich an, meine eigenen Pläne zu schmieden.«
    »Sie wurden zum Einzelgänger«, sagte Billy Anker.
    »Sieht man das so?«
    »Sie agieren für jeden, der zahlt.«
    »Ach, und das macht mich so anders? Jeder muss seine Brötchen verdienen, mein Lieber.«
    »EMC will Sie zurückhaben. Für die sind Sie nur ein Aktivposten.«
    Jetzt war es Seria Maú Genlicher, die lachte. »Die müssen mich erst mal fangen.«
    »Und wie lange brauchen die?«, fragte Billy Anker. Er wackelte mit den Fingern der intakten Hand. »Gar nicht mehr lange. Als Sie hier ankamen, haben meine Systeme einen Blick auf Ihre Hülle geworfen. Sie hatten vor kurzem ein ziemlich großkalibriges Gefecht. Die Partikelspuren zeugen von einer voluminösen Röntgenkanone.«
    »Kein Gefecht«, sagte Seria Maú. »Nur ich habe gefeuert.« Sie lachte grimmig. »Nach achtzig Nanosekunden waren die eine Gaswolke.« Jede Wette, dachte sie.
    Er zuckte die Achseln, um zu zeigen, dass er zwar beeindruckt aber noch nicht zufrieden war.
    »Und wer sind die? Sie sind Ihnen dicht auf den Fersen, Kindchen.«
    »Was wissen Sie?«
    »Es geht nicht darum, was ich weiß. Es geht darum, was Sie wissen, aber nicht wahrhaben wollen. Sie schwitzen es aus jeder Pore. Schon wie Sie reden…«
    » Was wissen Sie, Billy Anker?«
    Er hob die Schultern.
    »Die White Cat fängt keiner!«, schrie sie hysterisch. »Keiner, ist das klar?«
    In diesem Augenblick spazierte mitten aus den Wandhieroglyphen Mona, der Klon, heraus. Ihr Double, eine billige Mini-Mona, flackerte wie eine defekte Neonreklame. Es trug rote Fick-mich-Pumps mit Fünfzollabsätzen, einen wadenlangen Latexschlauch – lindgrün – und ein Bolero aus pinkrosa Angorawolle. Das Haar war mit passendem Band zu lauter Sträußen gewickelt.
    »Oh, holla, hoppla«, sagte Mona. »Ich muss die falsche Taste erwischt haben.«
    Billy Anker schien genervt.
    »Sie müssen besser aufpassen, Kindchen«, riet er ihr. Sie maß ihn vom Scheitel bis zur Sohle, nur um ihn gleich wieder zu ignorieren.
    »Ich habe nach Musik gesucht«, sagte sie zu Seria Maú.
    »Raus hier!«, sagte Seria Maú.
    »Ich kann einfach nicht damit umgehen«, beklagte sich der Klon.
    »Falls du vergessen hast, wie es deinen Freunden ergangen ist«, drohte Seria Maú, »kann ich dir das Video zeigen.«
    Der Klon stand da und biss sich auf die Lippe, in seinem Gesicht rangen Empörung und Verzweiflung miteinander, dann kullerten die Tränen – Mona zuckte die Achseln und verpuffte zu braunem Rauch. Billy Anker zeigte kalkuliertes Desinteresse,

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