Licht über den Klippen
den er gepackt gehalten
hatte.
»Sie müssen seine Grobheit entschuldigen.«
»Schon gut. Er dachte, ich sei eine Diebin. Außerdem hat er seine
Grobheit durch die Geschichte für den Constable mehr als ausgeglichen.«
Der Mann in Braun zuckte mit den Schultern.
»Ich konnte ihm Ihren Namen nicht sagen«, berichtete ich.
»Wie bitte?«
»Deshalb hat Fergal mich für eine Diebin gehalten. Weil ich Ihren
Namen nicht kannte.«
Belustigt zitierte er meine Worte aus dem Schlafzimmer: »Sie haben
mich nicht danach gefragt.«
»Haben Sie denn einen?«, fragte ich, ohne seinem Blick auszuweichen.
»Daniel Butler«, antwortete er schmunzelnd. »Zu Ihren Diensten,
Mistress.«
»Danke, Mr Butler.«
Mit einem galanten Nicken rückte er den Stuhl zurück, stand auf,
streckte sich und sagte: »Wenn Sie mich entschuldigen würden. Auch auf mich
wartet Arbeit. Ich würde Ihnen raten, im Haus zu bleiben. Darin können Sie sich
frei bewegen.«
»Danke.«
»Ach, und Eva?«
»Ja?«
Er blieb an der Tür stehen. »Eine Frau, die in meinem Bett
geschlafen hat, kann mich, glaube ich, Daniel nennen.« Er verließ die Küche mit
einem Lächeln, bevor ich eine passende Antwort fand.
Es war seltsam, mich in den Räumen zu bewegen, die ich
kannte und trotzdem als fremd empfand.
Die Einrichtung war schlicht und spartanisch, doch ich spürte, dass
eine Frau versucht hatte, sie behaglicher zu gestalten, wahrscheinlich die
Frau, deren Gewand ich trug. Auf ein paar Stühlen lagen Kissen, andere hatten
geflochtene Sitzflächen, und an den Fenstern hingen lange Kattunvorhänge. Der
Flur unten war nicht verputzt; die Holzvertäfelung ließ ihn ziemlich dunkel
erscheinen, doch die Zimmer wurden durch Teppiche und bunte Drucke mit Motiven
aus dem Landleben aufgehellt. Außerdem steckten überall Kerzen, in Wandleuchtern,
Glasstürzen auf dem Tisch oder dem Kaminsims, die darauf warteten, bei Einbruch
der Dunkelheit angezündet zu werden.
Einige der unteren Räume wurden für andere Zwecke als in meiner Zeit
genutzt, das Esszimmer beispielsweise diente als Wohnraum; in dem großen
vorderen Zimmer, das ich als Bibliothek kannte, standen auch jetzt Regale mit
Büchern. An der Stelle des Klaviers befand sich ein Schränkchen mit
Porzellantassen und -tellern und verschiedenen Kuriositäten, die leicht
klirrten, als ich über den Dielenboden schritt.
Fasziniert betrachtete ich alles genauer.
Die elfenbeinfarbenen Tassen, Teller und Untertassen schmückte ein
zartes Muster aus Ringen und Rosenknospen. Auf dem Fach darunter entdeckte ich
Muscheln unterschiedlichster Formen und Farben, in ihrer Mitte ein
Glaskästchen, darin eine dunkle Haarlocke, zusammengehalten von einem blauen
Band.
Da wusste ich, dass Daniel Butler genau wie ich einen geliebten
Menschen verloren hatte.
Plötzlich erschütterten Schritte das Schränkchen, und ich hörte Fergal
hinter mir sagen: »In der Vitrine werden Sie, abgesehen vom Geschirr, nichts
von Wert finden.«
»Ich habe nicht vor, Ihr Geschirr zu stehlen.«
Er trat zu mir und sah, dass ich das Glaskästchen betrachtete.
»Es hat seiner Frau gehört«, erklärte er mit harter Stimme.
Das hatte ich mir schon gedacht. Genau wie das Kleid, das ich trug.
Ich strich darüber und wandte mich von dem Schränkchen ab. Dabei fiel Fergals
scharfer Blick auf meine Hand und den Claddagh-Ring.
»Ein irischer Ring«, stellte er fest. »Ähnliche kenne ich aus
Galway. Darf ich?«
Ich legte meine Hand in die seine, sodass er sie ins Licht drehen
konnte.
»Einen so kleinen habe ich allerdings noch nie gesehen. Wie sind Sie
daran gekommen?«
»Ich habe ihn von meiner Großmutter geerbt. Sie war aus Irland.«
»Tatsächlich? Und aus welchem Teil?«
»Das weiß ich nicht so genau.«
»Bestimmt aus Galway, wenn sie einen solchen Ring hatte.«
»Wir nennen ihn einen Claddagh-Ring. Es gibt viele davon«, teilte
ich ihm mit.
Fergal hob eine Augenbraue. »Ein Claddagh-Ring? Merkwürdiger Name
für ein Liebespfand. Waren Sie schon einmal in Claddagh? Nein? Der beste Ort
zum Angeln an der ganzen irischen Westküste, aber
Sie werden ihn wohl nie kennenlernen, denn die dortigen Fischer sind raue
Gesellen. Sie versenken fremde Schiffe, sobald sie sie entdecken.«
»Dann sind Sie also aus Claddagh?«, fragte ich.
Fergal sah mich verwundert an. »Nein. Ich komme aus Cork, wo die
Männer sanft und wohlerzogen sind.« Er ließ meine Hand los. »Haben Sie Hunger,
Eva Ward?«
»Ein bisschen.«
»Können Sie kochen?«
»Ein
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