Licht über den Klippen
hinzu:
»Ich zeige Ihnen jetzt das Haus, damit Sie sich zurechtfinden.«
»Das kann ich auch machen«, sagte Daniel.
Fergal lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Na schön.«
Offen gestanden, achtete ich stärker auf Daniel selbst als auf das,
was er mir erklärte, als er mich durch die Räume von Trelowarth führte. Im Untergeschoss,
das ich bereits kannte, bemerkte ich, dass Daniel schöne Hände hatte, mit denen
er seine Erklärungen unterstrich, und dass sich beim Lächeln ein leichtes Grübchen
in seine rechte Wange stahl.
Auf dem Weg nach oben sagte ich: »Tut mir leid, dass ich Ihren
Hausmantel nicht mit zurückgebracht habe.«
Er wandte sich mir auf dem Treppenabsatz zu. »Wie bitte?«
»Den Hausmantel, den Sie mir geliehen haben.«
»Ach so.« Er nickte. »Mein Banyan. Das macht nichts. Ich lasse mir
einen neuen nähen.«
Das Kleid seiner Frau, das ich jetzt trug, würde sich nicht ersetzen
lassen, wenn ich damit in meine Zeit zurückkehrte. Ob ihm das bewusst war?
Wir erreichten die oberen Räume. An der Tür zu seinem Arbeitszimmer
erklärte er: »Wenn Sie lesen wollen, können Sie jedes Buch hier oder unten
nehmen. Haben Sie die Regale dort gesehen?«
»Ja, danke.«
»Niemand sonst interessiert sich in diesem Haus für Bücher. Fergal
hat keine Geduld zum Lesen, und mein Bruder Jack möchte lieber selbst Abenteuer
erleben.« Er nickte in Richtung des hinteren Schlafzimmers. »Das ist Jacks
Zimmer«, sagte er. »Ich möchte Sie warnen: Obwohl mir mein Bruder lieb und wert
ist, rate ich Ihnen, sich dieser Tür nicht zu nähern, wenn er sich in
Trelowarth aufhält. Es hat schon seinen Grund, dass alle Mütter in Polgelly
ihre Töchter einsperren, sobald Jack in den Hafen segelt.«
»Ich bezweifle, dass ich Ihren Bruder störe, denn ich verbringe die
Nächte ja in Ihrem Zimmer.«
Er lachte. »Das könnte mein Bruder als Herausforderung auffassen.«
Wir standen jetzt so nahe beieinander, dass ich den Kopf heben musste, um ihm
in die Augen zu sehen. Nur ein Narr würde Daniel Butler herausfordern, dachte
ich. Und das lag nicht primär an seiner Größe und Kraft, sondern an seiner
Selbstsicherheit, die davon zeugte, dass er in Auseinandersetzungen nicht oft
den Kürzeren zog.
Da riss er mich aus meinen Gedanken. »Morgen besorge ich Ihnen
Nadeln, damit Sie das Haar hochstecken können.«
»Darin habe ich keine Übung.«
»Das lernen Sie sicher schnell.«
»Wo schlafen Sie jetzt?«, fragte ich unvermittelt.
Er trat an die Tür zu dem Zimmer neben dem meinen. »Hier«,
antwortete er und öffnete sie.
In dem schmalen Raum, in den durch das Fenster sanftes Licht drang,
hatten er und Fergal sich unterhalten, als ich sie das erste Mal hörte. Das
Bett darin war nicht ganz so groß wie das nebenan, hatte aber ebenfalls einen
Baldachin mit himmelblauen Vorhängen. Eine lange, mit einem Deckel geschlossene
Deckenkiste stand am Fußende, und am Fenster befand sich ein Stuhl, von dem aus
man auf die grünen Hügel über dem Meer hinausblicken konnte.
Das war das Zimmer einer Frau, deren Anwesenheit ich so deutlich
spürte, dass ich meinte, sie am Fenster sitzen zu sehen. Wie lange sie wohl
schon tot war?
Ich richtete den Blick auf die geschlossene Tür in der Wand zwischen
diesem Raum und dem meinen. Es entging Daniel nicht.
»Ich finde sicher irgendwo ein Schloss dafür, wenn es Ihnen die
Angst nimmt.«
»Die Angst?«
»So fern von der Heimat, in Gesellschaft fremder Männer. Bei unserer
ersten Begegnung haben Sie sich doch gefürchtet.«
»Sie hatten ein Messer und waren wütend«, erinnerte ich ihn.
»Bin ich Ihnen wütend erschienen? Ich fühlte mich eher wie ein
Feigling. Schließlich hatte ich noch nie zuvor einen Geist getroffen.«
»Ein Geist würde sicher vor Ihnen fliehen.«
Daniel Butler lächelte. »Aber Sie sind kein Geist.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Und ich muss zugeben, dass Sie nicht aussehen, als hätten Sie
Angst.«
»Ich habe auch keine.« Das überraschte mich selbst.
Er nickte. »Gut. Das ist ein Anfang.«
Ich konnte nicht schlafen, obwohl ich den Kopf ins Kissen
drückte und die Augen fest geschlossen hielt.
Ich gehörte nicht hierher. Dies war weder mein Zimmer noch mein
Bett. Trotzdem hatte ich das Gefühl, am richtigen Ort zu sein.
Ich öffnete die Augen, um durch das offene Fenster den klaren
Sternenhimmel zu betrachten, und lauschte dem Meer, das vom dunklen Ufer heraufflüsterte.
Als sich andere leise Geräusche dazugesellten, stand ich auf und ging
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