Licht über den Klippen
sondern von
durchschnittlicher Größe und hatte schwarze Haare.
»Wer zum Teufel sind Sie?«, wiederholte er.
»Ich heiße Eva.« Das klang selbst in meinen Ohren lächerlich. Er
runzelte die Stirn.
»Eva.« Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Woher kommen Sie?
Und wie sind Sie in dieses Haus gelangt?«
Keine seiner Fragen ließ sich ohne Schwierigkeiten beantworten. Ich
versuchte, die Wogen zu glätten, indem ich ihn mit seinem Namen ansprach.
»Fergal, so heißen Sie doch, oder?«
»Woher wissen Sie das?«
»Von ihm.«
»Von wem?« Er trat ins Zimmer.
O je , dachte ich.
Ich hatte keine Ahnung, wie der andere hieß. »Von dem Mann …«
»Von welchem Mann?«
»Von dem Mann, der hier wohnt.«
Er machte einen Schritt auf mich zu und hob belustigt die schwarzen
Augenbrauen. »Er hat Ihnen meinen Namen gesagt?«
»Ja.«
»Finden Sie es nicht merkwürdig, dass er Ihnen meinen Namen, nicht
aber den seinen genannt hat?«
Ich schwieg.
»Er hat Ihnen also meinen Namen gesagt. Und dieses Kleid hat er
Ihnen bestimmt auch gegeben.«
»Ja.«
»Sie lügen«, zischte er.
Trotz meiner Angst hob ich trotzig das Kinn. »Das ist keine Lüge.«
Mein Widerspruch schien ihn zu überraschen. Er stutzte.
»Fragen Sie ihn doch selbst, woher ich dieses Gewand habe. Er wird
es Ihnen sagen.«
»Tatsächlich?« Er klang nach wie vor angriffslustig, aber nicht mehr
so selbstgerecht und legte nachdenklich den Kopf ein wenig schräg. Nach einer
Weile meinte er: »Na schön, wenn Sie den Teufel herausfordern wollen, fragen
wir ihn, gemeinsam.« Er packte meinen Arm.
»Gut.«
Auf dem Weg nach unten murmelte er vor sich hin: »Ich kenne ihn
zwanzig lange Jahre, und nie hat er etwas getan, ohne mich einzuweihen. Dieses
Gewand würde er eher eigenhändig verbrennen, als es einer anderen Frau zu
geben, da bin ich mir sicher …«
Er brummte die ganze Zeit vor sich hin, während er mich durch den
Flur in die Küche zerrte. Offenbar erwartete er, dass ich Angst hatte, als
Lügnerin entlarvt zu werden, doch ich wurde von Sekunde zu Sekunde ruhiger. Das
verbesserte seine Laune nicht gerade.
»Na schön«, wiederholte er, als wir den hinteren Korridor und die
Tür nach draußen erreichten. »Gleich werden wir sehen, wer hier Geschichten
erzählt.«
Er schob mich vor sich her. Als ich unvermittelt auf der Schwelle
haltmachte, blieb ihm nichts anderes übrig, als ebenfalls zu stoppen. Fluchend
versuchte er, das Gleichgewicht nicht zu verlieren.
Vor uns stand der Mann in Braun, der aussah, als wäre er gerade aus
den Stallungen jenseits des Hofs gekommen. An seinen Stiefeln klebte Schmutz,
und an einem Ärmel hing Stroh. Er begrüßte Fergal mit einem warnenden Blick.
In seiner Begleitung befand sich, wieder in Schwarz wie das letzte
Mal, der Constable, der mich nicht aus den Augen ließ.
»Ach nein«, sagte er mit aalglatter Stimme. »Wen haben wir denn da?«
ZEHN
I m Lauf meines Lebens
hatte ich gelernt, gefährliche Menschen zu erkennen; ihr Lächeln und ihre Seele
spiegelten sich nicht in ihren Augen.
Wie jetzt, bei diesem Constable. Leider konnte ich nicht einfach
weglaufen, weil Fergal hinter mir stand.
Der Constable trat einen Schritt auf mich zu. Er war Mitte vierzig,
nicht sonderlich groß gewachsen, schlank und drahtig und hatte ein schmales
Gesicht, das von einer weiß gepuderten Perücke sowie der Krempe seines
schwarzen Huts umrahmt wurde. Er musterte mich von meinem offen getragenen Haar
bis zum Saum des Kleides, das ihm offensichtlich bekannt vorkam.
»Butler, Sie erstaunen mich«, wandte er sich an den Mann in Braun.
»Ich hätte Sie nicht für einen Mann gehalten, der seine Zeit mit einer Dirne vergeudet.«
»Hüten Sie Ihre Zunge«, sagte der Mann in Braun, ohne sich
provozieren zu lassen. »Sie sprechen von Fergals Schwester, die derzeit bei uns
ist, um uns im Haushalt zu helfen.«
Ich spürte die Überraschung des Iren hinter mir und fragte mich, ob
er mitspielen würde.
Der Constable wirkte nicht überzeugt. »Ihre Schwester?«, fragte er
Fergal. »Ich wusste gar nicht, dass Sie eine Schwester haben.«
Der Ire straffte die Schultern. »Ich hab sogar sieben. Diese hier
ist nach mir die zweitälteste von uns Geschwistern.«
Der Constable suchte in meinem Gesicht nach Ähnlichkeiten. »Wie
heißen Sie?«, erkundigte er sich.
»Sie kann nicht sprechen«, antwortete Fergal. Seine Hand schloss
sich warnend um meinen Arm.
»Warum das?«
»Das müssen Sie den Herrgott fragen, denn der hat sie
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