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Licht über den Klippen

Licht über den Klippen

Titel: Licht über den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
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informiert.«
    »Sie können lesen? Eine stolze Leistung für eine Frau, selbst für
eine, die durch die Zeit reist.«
    »Sie glauben mir nicht?«
    »Ich glaube nicht an Geister, weshalb ich Ihre Geschichte mit
Erleichterung höre.« Er schwieg kurz. »Können Sie diese magischen Reisen durch
Ihren Willen beeinflussen?«
    »Denken Sie, dann wäre ich so hier aufgetaucht?«
    »Sie meinen, in meinem Zimmer und mitten in der Nacht?«
Wahrscheinlich lächelte er.
    »Das ist Ihr Zimmer?«
    »Weil ich es dafür halte, habe ich beschlossen, mich darin zur Ruhe
zu begeben.«
    »Aber als ich das letzte Mal hier war …«
    »Als Sie mir sagten, ich solle verschwinden?«, fragte er belustigt.
    Ich konnte nur hoffen, dass die Dunkelheit in dem Raum meine
Verlegenheit kaschierte. »Sie haben mir nicht gesagt, dass das Ihr Zimmer ist.«
    »Ein Versäumnis meinerseits, das muss ich zugeben. Vielleicht hat
sich der Schock darüber, so spät im Leben herauszufinden, dass ich gar nicht
existiere, schädlich auf meine Manieren ausgewirkt.«
    Ich errötete. »Tut mir leid, ich war unhöflich. Ich dachte, ich
bilde mir alles nur ein.«
    »Ich nehme es Ihnen nicht übel. Es hat mir beim letzten Mal genauso
wenig ausgemacht, mein Zimmer mit Ihnen zu teilen, wie jetzt.« Er richtete sich
auf und schwang die langen Beine über die Bettkante.
Sein weißes Hemd schimmerte geisterhaft im Licht des Mondes. Nach kurzem
Schweigen bemerkte er, als fiele es ihm gerade erst auf: »Sie haben sich
umgezogen.«
    Mit einem Blick auf mein schlichtes T-S hirt und die Pyjamahose erklärte ich:
»Auch ich war im Bett.«
    Er schien zu überlegen. »Wenn Sie am Morgen noch immer hier sind,
brauchen Sie angemessene Kleidung.«
    Daran hatte ich nicht gedacht.
    Er stand auf. »Warten Sie hier.«
    Als er in das kleine Zimmer nebenan ging, fiel mir erneut auf, wie
groß er war. Wenig später kehrte er mit einem Kleidungsstück zurück, das er mir
in die Hand drückte. »Tragen Sie das, wenn es Ihnen passt.«
    »Danke.«
    Er nickte. »Schlafen Sie gut, Eva Ward.« Dann trat er zurück und
schloss die Tür hinter sich.
    An Schlaf war in dieser Nacht nicht zu denken. Ich schaute vom Bett
aus durch das Fenster auf den fernen Horizont, an dem die dunkle See und der
Himmel zusammentrafen, und wartete auf den Sonnenaufgang.
    Die ersten Strahlen drangen durch die beiden Fenster neben dem
Kamin, die auf die Straße gingen. Sie vertrieben die Schatten aus den Winkeln
und krochen über die Bodendielen und den Schreibtisch zu dem Kleidungsstück,
das ich nach wie vor in den Armen hielt. Jetzt sah ich, dass es sich um ein
Kleid handelte, genauer gesagt, um ein Oberteil mit langem Rock und einer Art
Nachthemd darunter, dazu hatte er ein Paar Schuhe gelegt, die auf den Boden
fielen, als ich aufstand und die Sachen auf dem Bett ausbreitete, um sie
genauer zu betrachten.
    Das Gewand war schlicht, aber wunderschön. Das Oberteil hatte einen
tiefen runden Ausschnitt sowie gerade, dreiviertellange Ärmel und war an den
Nähten mit geschmeidigen Stützen, einer Art Korsett, verstärkt. Auch der weite
Rock gefiel mir. Der Stoff glitt wie Seide durch meine Finger, und seine Farbe
changierte im Licht blaugrau.
    Wie merkwürdig, solche Kleidung zu tragen, dachte ich. Andererseits
konnte ich, falls ich wirklich in der Vergangenheit gefangen war, schlecht im
Pyjama herumlaufen.
    Am Ende fiel es mir leichter, die Kleidungsstücke anzuziehen, als
ich befürchtet hatte. Zuerst schlüpfte ich in das schlichte Unterkleid mit dem
runden Ausschnitt und den Ärmeln, die bis zu den Ellbogen eng geschnitten waren
und in mehreren Schichten Spitze endeten. Die Spitze lugte unter den dreiviertellangen
Ärmeln des Oberteils hervor und ließ es weicher erscheinen. Dann zog ich den
Rock an, band ihn an der Taille fest und strich das Mieder darüber glatt,
sodass das Ganze wie ein Einteiler aussah.
    Sowohl das Gewand als auch die Schuhe passten zu meiner Überraschung
genau. Der Rock berührte den Boden knapp, und das Oberteil lag am Körper an,
ohne mich zu beengen. Es zu schließen, gestaltete sich allerdings als
Herausforderung, weil es nicht mit Knöpfen, sondern mit Nadeln versehen war, an
denen ich mich mehrere Male stach. Ich schob gerade laut fluchend die letzte
Nadel durch den Stoff, als die Zimmertür aufgerissen wurde und ein Mann wütend
fragte: »Wer zum Teufel sind Sie?«
    Die Stimme des Iren erkannte ich sofort, doch sein Äußeres erstaunte
mich. Er war nicht groß und kräftig wie erwartet,

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