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Licht über den Klippen

Licht über den Klippen

Titel: Licht über den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
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und er bewacht ihn wie ein Drache das
Gold. Er würde ihn niemandem anbieten, den er nicht als würdig erachtet.«
    »Ich fühle mich geehrt, hoffe aber, dass das nicht zur Gewohnheit
wird. Apfelwein macht mich schwindelig.«
    »Gibt es ihn auch in Ihrer Zeit?«
    »Apfelwein? Ja. Da macht er mich genauso schwindelig.«
    »Dann bleiben wenigstens ein paar Dinge für Sie gleich.«
    Ich glaubte, so etwas wie wissenschaftliches Interesse aus seiner
Frage herauszuhören. »Es ist sicher merkwürdig, in eine andere Zeit zu kommen
und festzustellen, dass man sich sehr weit entfernt von allem aufhält, was man
kennt. Vermutlich fühlt man sich wie ein Schiffbrüchiger in einem fremden
Land.«
    »Ja, so ist es. Zum Glück hat das Haus sich nicht verändert, und ich
finde mich in den Räumen zurecht. Das hilft. Und dass Sie mir glauben, hilft
auch.« Das war mir selbst gerade erst bewusst geworden.
    Ich wandte den Blick ab, hüstelte und wechselte das Thema. »Leben
Sie schon lange in Trelowarth?«
    »Zwölf Jahre. Ich habe es von einem Onkel geerbt, der wollte, dass
ich einer ehrlicheren Arbeit nachgehe.«
    Bevor ich mich nach seiner vorherigen Tätigkeit erkundigen konnte,
kam Fergal mit den vollen Tellern zurück.
    »Hier«, sagte er und stellte einen davon vor mir auf den Tisch.
»Genießen Sie es, denn morgen werde ich Ihnen nichts so Erlesenes bieten
können. Bis ich das nächste Mal zum Markt komme, gibt es Porridge.«
    Das Essen war einfach und schmackhaft. Fergal hatte die gebratenen
Vögel mit Honig übergossen und die Gerste sowie das Gemüse mit mir unbekannten
Gewürzen und Kräutern verfeinert. Ich aß mit Messer und Löffel wie die beiden
Männer, dankbar für das leichte Ale, das Daniel Butler mir anstelle des
Apfelweins kredenzte. Es schmeckte leicht nach dem Zinnbecher, aus dem ich es
trank, machte mich aber immerhin, mit Bedacht genossen, nicht betrunken.
    Die Männer tranken schweren Rotwein, und als Fergal den letzten Rest
der Flasche einschenkte, bemerkte er: »Der wird auch bald zu Ende sein. Wir
haben nur noch eine einzige Kiste im Keller.«
    »Dann ist es ja gut, dass wir deinen Apfelwein haben«, meinte Daniel
Butler.
    »Nein, nein. Wer sich an den wagt, verliert eine Hand.«
    »Sehen Sie?«, sagte Daniel Butler lachend zu mir. »Er hütet seine
Fässer wie ein Drache.«
    »Aye. Hast du ihr auch verraten, warum? Was dein Bruder getan hat,
als ich ein einziges Mal nicht wachsam war? Dass er meinen ganzen Apfelwein auf
die Sally verladen hat und
damit auf und davon gesegelt ist ohne ein Abschiedswort?«
    »So ist Jack nun einmal.«
    »Ja, der stiehlt noch den Toten die Münze für den Fährmann von den
Augen, ohne mit der Wimper zu zucken.« Fergal fiel etwas ein. »Er kann übrigens
jeden Moment zurückkommen.«
    »Und?«
    »Wie willst du dann ihre Anwesenheit erklären?« Er nickte in meine
Richtung. »Du weißt so gut wie ich, dass Jack den Mund nicht halten kann. Er
lässt sich bestimmt nicht von ihrer Geschichte überzeugen.«
    Daniel Butler zuckte mit den Schultern. »Sie ist doch deine
Schwester, die uns im Haus hilft. So wie du es Creed weisgemacht hast. Und der
hat’s geglaubt.«
    »Bist du dir da sicher?«
    »Nein.« Daniel wurde nachdenklich. »Aber Jacks Verstand ist nicht so
scharf wie der des Constable. Und Eva ist klug genug. Macht es Ihnen etwas aus,
diese Rolle zu spielen?«, fragte er mich.
    Ich war ein wenig unsicher, denn ich war anders als Katrina keine
sonderlich gute Schauspielerin. Sie hätte die Rolle perfekt gespielt und Daniel
Butler glauben lassen, sie gehöre in seine Zeit. Für sie wäre das Ganze ein
vergnügliches Abenteuer gewesen.
    Wieder einmal spürte ich den Schmerz des Verlustes. Als ich Daniel
Butlers fragenden Blick sah, versprach ich: »Ich werde es versuchen. Aber ich
bin keine Schauspielerin.«
    »Das wollte ich auch nicht sagen. Es läge mir fern, Sie zu
beleidigen.«
    Ich erinnerte mich, dass Schauspielerinnen im achtzehnten
Jahrhundert nicht viel mehr waren als Prostituierte, Frauen, die sich der
Öffentlichkeit für Geld feilboten und nicht als ehrbar galten. Als ich an die
Stars meiner Zeit dachte, mit denen ich zu tun gehabt hatte, an ihren Reichtum
und ihre Macht, wurde mir klar, wie sehr ihr Status sich in den vergangenen
knapp dreihundert Jahren verändert hatte.
    »Ich habe es nicht als Beleidigung aufgefasst.«
    Scherzend stand Fergal mir bei. »Pass auf, wie du mit meiner
Schwester sprichst«, warnte er seinen Freund und fügte, an mich gewandt,

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