Licht über den Klippen
Wasserfall ausweichend, auf den glitschigen
Felsen balancierte. Ich hielt den Blick gesenkt, um nicht auszurutschen. Als
ich ihn wieder hob, war Mark verschwunden.
Ich blieb verblüfft stehen. »Mark?«
Seine Stimme schien aus dem Felsen zu kommen. »Hier.«
Als ich einen Schritt nach links trat, entdeckte ich die Öffnung,
die sich dem Blick entzog, weil sie aufs Meer ging und man zunächst nur den
blanken Felsen vor sich hatte. Auch vom Meer aus würde sie, versteckt hinter
dem Wasserfall, nicht auffallen.
Mark wartete, bis er sicher sein konnte, dass ich ihn gesehen hatte,
bevor er tiefer in die Höhle vordrang, und ich folgte ihm. Als meine Augen sich
an die Dunkelheit gewöhnten, erkannte ich hinter einzelnen Lichtstrahlen von
oben die nach innen gewölbten Felswände, den ausgetretenen Boden, auf dem sich kleine,
seichte Pfützen bildeten, obwohl die Höhle sich oberhalb der Flutmarke befand,
und die Überreste von in den Schatten vor sich hin modernden Fässern.
Beunruhigender noch als die Dunkelheit waren die gedämpften
Geräusche, die klangen, als hielte ich mir eine Muschel ans Ohr. Ich hörte den
Widerhall des tosenden Meeres und leises, unablässiges Tropfen in verborgene
Pfützen.
Da durchbrach Felicitys Stimme die Stille. »Unglaublich.«
Hinter mir fragte Susan ihren Bruder: »Hast du eine Taschenlampe
dabei?«
»Brauch ich nicht«, antwortete er. »Die verdirbt den Effekt.«
Ich verstand, was er meinte. Jedes Licht, besonders das harte einer
Taschenlampe, hätte die geheimnisvolle Atmosphäre zerstört. Mir war klar, warum
die Butlers diese Höhle als Lager für ihr Schmuggelgut aus der Bretagne gewählt
hatten. Vermutlich waren sie immer bei Flut vor Anker gegangen und hatten die
Ware im Schutz der Dunkelheit an Land gerudert. Dazu waren mit Sicherheit
mehrere Männer nötig gewesen. Mir fiel ein, was in Olivers Buch gestanden
hatte: dass die Einwohner von Polgelly stolz gewesen waren, die Existenz der
Höhle nie verraten zu haben.
Wahrscheinlich hatte der Constable bei der Durchsuchung des Hauses
etwas finden wollen, das hier verborgen war.
Was wohl?
Susan trat näher an die Fässer heran. »Schaut euch die an. Die sind
bestimmt von deinen Butler-Brüdern.«
Mark hielt das für unwahrscheinlich. »Dazu sind sie nicht alt genug.
Außerdem waren nicht alle leer, als ich hier gespielt habe. Bestimmt war das
Dads geheimes Whiskylager.«
»Es wundert mich, dass er dir erlaubt hat hierherzukommen«, bemerkte
Susan.
»Er wusste es nicht. Sonst hätte er mich wahrscheinlich windelweich
geschlagen.« Als Mark einen Schritt zur Seite machte, trat er auf etwas, das
klackernd über die Steine rutschte. Er bückte sich, um es aufzuheben.
»Was ist das?«, erkundigte ich mich.
»Ein Stück Eisenriemen von einem der Fässer, nehme ich an.« Er warf
es in eine Ecke. »Früher haben wir hier ganz andere Schätze entdeckt.«
»Was für Schätze?«, fragte Felicity.
»Ach, alles Mögliche. Manchmal sogar Musketenkugeln oder alte
Münzen. Ein paar davon liegen noch in irgendeiner Schublade.«
Susan, die ihm noch nicht verziehen hatte, dass er ihr die Höhle
erst jetzt zeigte, stellte in vorwurfsvollem Tonfall fest: »Die habe ich auch
nie gesehen.«
»Piraten verstecken ihre Schätze und zeigen sie nicht ihren
Schwestern, oder?«
»Wenn sie erwarten, weiter von ihnen bekocht zu werden, sollten sie
das aber tun«, sagte Susan.
Mark schmunzelte. »Ich versuche, sie zu finden«, versprach er. Da
donnerte es.
Felicity meinte: »Ein Gewitter.«
»Stimmt«, bestätigte Mark. »Wir sollten zurückgehen. Im Regen ist
die Kletterei ziemlich beschwerlich.«
Ich versuchte, mir vorzustellen, wie die Höhle zu Daniels Zeiten
gewesen war. Doch Dunkelheit, tropfende Steine und hohle Wände sagten mir, dass
es dafür zu spät war. Dreihundert Jahre zu spät.
Von draußen rief Mark: »Eva?«
Als ich durch die Öffnung unter dem Wasserfall nach draußen trat,
hörte ich wieder das Lied des Meeres.
NEUNZEHN
I m Haus gab Susan keine
Ruhe, bis Mark die schmutzige Keksdose mit den Schätzen seiner Kindheit holte
und auf den Küchentisch stellte.
»Da wäre der Plunder«, sagte er.
Susan schüttelte die Dose neugierig. »Was ist drin?«
»Schau rein.«
Mark setzte Teewasser auf und beobachtete, wie wir seine »Beute«
begutachteten: kleine abgeschliffene Glasscherben und Steine, ein Napfschneckengehäuse,
ein stumpfer Metallknopf, ein Weinflaschenkorken, zwei Shilling-Münzen und ein
Half Penny, ein
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