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Licht über den Klippen

Licht über den Klippen

Titel: Licht über den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
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Frauenohrring mit abgewetzten Plastikperlen, die versprochenen
Musketenkugeln und ein langes, verbogenes Stück Metall. Felicity nahm es heraus
und wischte es vorsichtig ab.
    Der Anblick verursachte mir eine Gänsehaut.
    »Was ist das?«, fragte Susan Felicity.
    »Scheint eine Art Messer zu sein.«
    »Das habe ich, glaube ich, hinter den Fässern gefunden«, teilte Mark
uns mit einem Schulterzucken mit. »So genau weiß ich es nicht mehr.«
    Es handelte sich um einen kleinen Dolch.
    Susan ließ die Finger darübergleiten. »Aus was für einem Material
ist der Griff?«
    Felicity betrachtete ihn genauer. »Ich glaube, aus Knochen.«
    Nicht aus Knochen, hätte ich sie korrigieren können, sondern aus
Muschelkalk, der im Licht bunt schillerte. Leider war der Griff so stark mit
Schmutz verkrustet, dass sich das nur erahnen ließ.
    »Darf ich das Messer mal in die Hand nehmen?«, bat ich. Es fühlte
sich kalt und rau an in meinen Fingern, nicht wie die glatte, tödliche Waffe,
die ich wenige Tage zuvor in Daniels Faust gesehen hatte. Wenige Tage zuvor …
Mir erschien es wie eine Ewigkeit. Und ich staunte, wie sehr mir Daniel fehlte.
    »Sieht alt aus«, bemerkte Susan.
    Da hatte Felicity eine Idee: »Eva, das könntest du doch Oliver
zeigen. Er kennt sich aus mit Waffen und weiß bestimmt, wie alt das Ding ist,
vielleicht sogar, wie viel Geld man dafür kriegen könnte.«
    Mark hielt es in dem Zustand, in dem es war, nicht für sonderlich
wertvoll.
    »Man kann nie wissen«, widersprach Felicity. »Manchmal erzielen die
merkwürdigsten Sachen die höchsten Preise.«
    Meine Finger schlossen sich schützend um den verrosteten Dolch. »Du
würdest das Messer doch nicht verkaufen, oder?«
    »Natürlich nicht«, antwortete Mark sofort, als fände er den Gedanken
absurd.
    »Aber es macht dir nichts aus, wenn Oliver es sich mal anschaut,
oder?«, erkundigte sich Susan.
    »Wenn er möchte.«
    Ich überlegte, ob ich Daniel je ohne den Dolch gesehen hatte. Soweit
ich mich erinnerte, nur das eine Mal, als ich ihn im Bett überrascht hatte. Es
war die Waffe, nach der er instinktiv griff, wenn er sich bedroht fühlte.
    Welcher Bedrohung war er wohl in der Höhle ausgesetzt gewesen? Und
warum hatte er die Waffe dort verloren?
     
    Die meisten älteren Grabsteine auf dem überwucherten
Friedhof waren von den Jahren und der Witterung so angegriffen, dass es mir
schwerfiel, Daten oder Namen zu entziffern, und unter denen, die ich lesen
konnte, fand ich keinen »Butler«.
    Hier lagen sämtliche Halletts begraben: Marks Vater, sein Großvater
und Urgroßvater sowie mehrere Cousins und Cousinen und andere Verwandte, denn
die kleine Steinkirche St. Petroc’s stand seit Menschengedenken an dieser
Stelle neben der Straße von Polgelly nach St. Non’s und Fowey, von der aus man
Trelowarth sehen konnte.
    Angeblich war in ferner Urzeit ein irisches Piratenschiff an den
schwarzen Felsen der Küste zerschellt. Nur ein einziger Seeman hatte überlebt,
der zum Dank für seine Rettung mit eigenen Händen das kleine Gotteshaus auf dem
Hügel erbaute.
    Hinter mir schwang knarrend das Tor zum Friedhof auf. »Guten
Morgen«, grüßte eine Männerstimme. Als ich mich umdrehte, sah ich den Küster
mit einer Gartenschere in der Hand auf mich zukommen. Ich kannte diese
Gartenschere mit den Holzgriffen und auch den Küster, der, obwohl inzwischen
grauhaarig, immer noch kraftvoll dahinschritt. Er schien sich ebenfalls an mich
zu erinnern, vielleicht, weil meine Ankunft in Trelowarth mittlerweile ausführlich
in den Pubs von Polgelly besprochen worden war.
    »Miss Ward, dachte ich’s mir doch, dass Sie das sind.« Sein breites
Lächeln mit den verblüffend ebenmäßigen Zähnen versetzte mich in meine Kindheit
zurück.
    Ich kam mir vor wie eine Fünfjährige. »Mr Teague.«
    »Sie sind ein wenig gewachsen seit damals, das muss ich zugeben,
aber es ist ja auch … wie lange her? Zwölf Jahre?«
    »Eher zwanzig.«
    »Nein!« Er klang entsetzt. »Wenn Sie das sagen, fühle ich mich
uralt.«
    »Sie sehen aus wie immer.«
    »Vielleicht sollten Sie mal einen Augenarzt aufsuchen, meine Liebe.«
Aber er schien sich über mein Kompliment zu freuen. »Die Nachricht über den Tod
Ihrer Schwester hat mich sehr betrübt. Es ist immer traurig, wenn die Jungen so
früh von uns gehen. Es heißt, Sie hätten ihre sterblichen Überreste hierher
gebracht?«
    »Ja.«
    »Gut. Den Toten steht ein friedlicher Ort für ihre letzte Ruhe zu.
Den hätte sie in Amerika nicht gefunden«,

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