Licht über den Klippen
erklärte er mit der Bestimmtheit
eines Mannes, der selbst nie aus Cornwall herausgekommen war. Die Geistlichen
von St. Petroc’s wechselten, doch Mr Teague war das Faktotum dieser Gemeinde,
solange ich denken konnte. Er schien bei allen meinen Besuchen des Friedhofs da
gewesen zu sein, mit seinem Rasenmäher oder der alten Gartenschere, und er
hatte sich immer die Zeit genommen, seine Arbeit für einen Plausch zu unterbrechen.
Ich fragte Mr Teague nach den Butlers. Er überlegte stirnrunzelnd.
»Butler. Soweit ich mich erinnere, gibt es ein oder zwei Gräber von
Personen dieses Namens.«
»Die habe ich nicht gefunden.«
»Das wäre auch schwierig, wenn sie wirklich so alt sind, wie Sie
sagen. Ich hole mal das Verzeichnis aus der Sakristei.« Er legte die
Gartenschere neben dem Seiteneingang der Kirche ab, zog den großen Schlüssel
hervor und öffnete die alte Bogentür aus Eichenholz mit den schwarzen Metallbeschlägen.
Wenig später kehrte er mit einem schmalen, kartongebundenen Buch zurück, wie
örtliche historische Gesellschaften im ganzen Land sie für ihre
Veröffentlichungen verwendeten.
Mr Teague blätterte die Seiten mit schwieligen Fingern um. »1822
wurde eine Inventur der vorhandenen Gräber durchgeführt, bei der man auch die
Inschriften notierte. Ja, genau: Butler. Es gibt zwei Butler-Gräber im
südwestlichen Teil. Kommen Sie, ich zeige Ihnen, wo sie sind.«
Der südwestliche Teil des Friedhofs war der der Straße am nächsten
gelegene. Hier führte Mr Teague einen verzweifelten Kampf gegen die am Rand
gepflanzte Weißdornhecke, die die flachen Steine überwucherte. Die teilweise
unter Moos und Gras verborgenen Grabsteine waren so verwittert, dass ich kaum
noch Buchstaben erkennen konnte.
»Das ist laut Buch das Grab von Ann Butler«, teilte Mr Teague mir
mit. »Sie starb am 20. Oktober 1711 im Alter von dreiundzwanzig Jahren.
›Geliebte Gattin‹, steht da. Und das da muss das Grab ihres Mannes sein.«
Er ging ein paar Schritte weiter. Ich hielt gespannt den Atem an.
»Jack Butler«, las Mr Teague aus dem Buch vor. Der Stein war in der
Mitte gespalten, als wäre etwas darauf gefallen. »Merkwürdig: keine Daten, nur
ein Spruch: ›Mein Gott lässt mich auferstehen. Darauf vertraue ich.‹«
Ich seufzte erleichtert auf. Jack Butler war sicher im hohen Alter
gestorben, denn er hatte sein Tagebuch fast ein Vierteljahrhundert, nachdem ich
ihm begegnet war, veröffentlicht. Das Zitat aus einem Gedicht von Sir Walter
Raleigh, einem Seefahrerkollegen und Piraten, erschien mir sehr passend für
Jack.
»Andere Butlers gibt es hier nicht?«, erkundigte ich mich.
Mr Teague ging noch einmal die Liste mit den Inschriften durch.
»Nein, das sind alle. Waren das Vorfahren von Ihnen?«
»Nein. Ich recherchiere für Susans neues Unternehmen.« Davon hatte
er bestimmt schon gehört. »Und ich möchte herausfinden, wer früher in Trelowarth
gelebt hat.«
»Da kommt der junge Mann, den Sie zu solchen Dingen befragen
sollten.« Mr Teague nickte in Richtung Straße, auf der gerade ein Radfahrer um
die scharfe Kurve oben auf dem Hügel von Polgelly bog. Ich erkannte Oliver
sofort, obwohl er einen Helm trug.
»Falls Sie das noch nicht getan haben«, fügte Mr Teague hinzu.
Sein vielsagender Tonfall ließ mich überlegen, was man sich so alles
in den Pubs erzählte.
Als Oliver uns erreichte, begrüßte er uns mit einem strahlenden
Lächeln. »Guten Morgen, Eva und Mr Teague.«
Nach der anstrengenden Fahrt den Hügel hinauf atmete er schwer, und
das T-S hirt
klebte verschwitzt an seiner Brust und seinen Schultern. Seine Beinmuskulatur
kam in der Radlerhose bestens zur Geltung.
»Oliver.« Mit einem Blick in meine Richtung sagte Mr Teague: »Dann
lasse ich Sie mal allein. Ich habe noch zu tun.«
Ich bedankte mich für seine Hilfe.
»Gern geschehen.«
Als er sich zum Gehen wandte, bat ich ihn: »Mr Teague, könnten Sie
mir noch einmal sagen, wann Ann Butler gestorben ist?«
Er blätterte wieder in dem Buch.
»Am 20. Oktober 1711.«
Ich bedankte mich ein weiteres Mal, und er ging zur Kirche, um seine
Gartenschere zu holen.
»Hast du einen Stift dabei?«, fragte ich Oliver.
»Seh ich so aus?« Er grinste.
Mit einem Blick auf seine enge Radlerhose und das verschwitzte T-S hirt antwortete
ich: »Kein Problem.« Ich würde mir das Datum merken können, ohne es zu
notieren.
»Wer ist Ann Butler?«, wollte Oliver wissen.
»Daniel Butlers Frau.«
»Du hast also mehr über deine Butler-Brüder
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