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Licht über den Klippen

Licht über den Klippen

Titel: Licht über den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
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gehört hatte. Ich zwang mich zu einem Lächeln.
»Soll ich zu einem günstigeren Zeitpunkt wiederkommen?«
    Er schmunzelte.
     
    Fergal war nicht in bester Stimmung. In der Küche wandte
er sich Daniel zu: »Das ist nicht witzig. Ist dir noch nicht aufgegangen, was
ihr hätte blühen können, wenn sie so vor Wilson, deinem Bruder oder dem
Constable aufgetaucht wäre? Du hast selbst gesehen, wie sie kommt und geht. Und
ich auch. Ich muss gestehen, dass ich einen Augenblick lang dachte, der Teufel
hätte seine Hand im Spiel, obwohl ich ein Mann der Vernunft bin.«
    »Du weißt, dass es keine Hexerei ist«, erwiderte Daniel.
    »Aye, das weiß ich. Genau wie du. Aber denk an die anderen. Du hast
doch schon Hexenprozesse erlebt, oder?«
    Daniel schwieg, und Fergal wandte den Blick ab.
    »Ich jedenfalls schon. Und ich möchte nie wieder sehen, was der Mob
mit so einer armen Frau macht …«
    »Bei uns hier ist sie sicher«, sagte Daniel.
    »Tatsächlich?«
    »Zweifelst du etwa an mir? Man könnte fast meinen, sie wäre wirklich
deine Schwester.«
    Nun mischte ich mich ins Gespräch ein. »Ich kann leider nicht
beeinflussen, wie ich auftauche oder verschwinde. Wenn ich in der Lage dazu
wäre, würde ich …« Daniel sah mich an. »Aber es geht nicht. Ich werde immer
Ihre Nähe suchen, wenn ich da bin, damit Sie im Notfall andere Anwesende ablenken
können.«
    Fergal nickte.
    »Aye. Wollen wir hoffen, dass es gut geht.« Er musterte mich.
»Möchten Sie eine zweite Mahlzeit?«
    »Eine zweite?«
    »Aye«, antwortete er mit einem Blick auf den leeren Teller auf dem
Tisch. »Die erste hatten Sie schon; den habe ich gerade aus Ihrem Zimmer geholt,
wo Sie seit zwei Tagen krank im Bett liegen.«
    »Verstehe.« Natürlich hatten er und Daniel sich eine Erklärung für
Jack und Mr Wilson ausdenken müssen.
    »Soweit ich sehen kann, hat sie wieder alles aufgegessen«, stellte
Daniel fest.
    Fergals Mundwinkel zuckten. »Aye, für eine Kranke hat sie einen
gesunden Appetit.«
    An mich gewandt, meinte Daniel: »Gott sei Dank sind Sie
zurückgekommen, bevor ihm keine Hose mehr passt.«
    Das erinnerte mich an meine eigene Kleidung. Verlegen verschränkte
ich die Arme vor der Brust. »Tut mir leid, ich habe … das Kleid von Ihnen ist …
nun …«
    »Das ist mir schon aufgefallen«, stellte Daniel fest.
    Fergal, der dicke Scheiben von einem Laib Brot für mich abschnitt,
stand mit dem Rücken zu uns und konnte unsere Blicke nicht sehen.
    »Tut mir leid«, wiederholte ich.
    »Es ist nur ein Kleid.«
    Nein, das stimmt nicht, dachte ich. Sein Schulterzucken konnte mich
nicht täuschen. Wie er wohl reagieren würde, wenn ich ihm sagte, dass ich Anns
Grab besucht und auch das mit Gras überwachsene von Jack in einer ruhigen Ecke
des Friedhofs entdeckt hatte?
    »Machen Sie sich keine Gedanken«, sagte Daniel. »Ich habe noch
andere Gewänder.«
    Ohne sich umzudrehen, bemerkte Fergal: »Das geblümte würde ihr gut
stehen.«
    »Ja, das stimmt«, pflichtete Daniel ihm bei.
    So bekam ich das Kleid mit den Blumen. Als ich nach dem Essen
hinaufging, lag es auf dem Bett für mich bereit. Es hatte einen weiten Rock mit
breiter blauer Borte, die gut zu den kleinen Blütenrispen, vielleicht
Vergissmeinnicht, auf dem Oberteil passte. Auch der runde, tiefe Ausschnitt war
mit einer solchen Borte verziert. Das schlichte Kleidungsstück gefiel mir.
    Erst nach zwei oder drei Versuchen gelang es mir, mein Haar so
hochzustecken und die kleine Leinenkappe so ordentlich darauf zu befestigen,
wie Fergal es mir gezeigt hatte.
    Als Daniel hörte, dass ich die Tür öffnete, rief er von seinem
Arbeitszimmer aus: »Eva?«
    »Ja?«
    »Alles in Ordnung? Brauchen Sie Hilfe?«
    Ich ging die wenigen Schritte zu ihm hinüber und sog den
aromatischen Duft des Pfeifentabaks ein, der aus dem Raum drang. »Nein, danke.
Ich komme zurecht. Ich …«
    Daniel saß mit der Schulter zur Wand auf demselben Stuhl neben dem
kleinen Fenster wie bei unserem ersten Gespräch dort. Er hatte ein aufgeschlagenes
Buch in der Hand und betrachtete mich schweigend.
    »Ein hübsches Kleid«, sagte ich unsicher. »Wenn ich es lieber nicht
tragen soll …«
    »Das ist es nicht.« Er legte die Pfeife weg und ließ den Blick über
das Gewand und meine Frisur wandern. »Haben Sie sich die Haare selbst hochgesteckt?«
    Ich hob die Hand, um zu prüfen, ob die Haarnadeln richtig saßen.
»Habe ich etwas falsch gemacht?«
    »Nein.« Daniel erhob sich und bot mir den Stuhl neben dem seinen

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