Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Licht über den Klippen

Licht über den Klippen

Titel: Licht über den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
Vom Netzwerk:
an.
»Leisten Sie mir Gesellschaft?«
    Als ich Platz nahm, setzte auch er sich wieder, schloss das Buch und
schickte sich an, seine Pfeife auszuklopfen. Doch ich hielt ihn davon ab.
    »Kein Problem. Ich habe nichts dagegen, wenn Sie rauchen.«
    »Danke.« Er lehnte sich zurück. »Sie bewegen sich elegant in dem
Kleid. Tragen Frauen in Ihrer Zeit noch solche Gewänder? Oder nur Hosen wie
Männer?«
    »Manchmal tragen wir Kleider. Wenn auch keine wie dieses.« Ich legte
die Hand ausgebreitet auf die Schnürung des Oberteils.
    »Ich muss gestehen, dass ich nicht weiß, was mir besser gefällt«,
erklärte er mit einem Lächeln. »Wo haben Sie Ihre andere Kleidung gelassen?«
    »In der Truhe in Ihrem Schlafzimmer. Unter Ihren Hemden.«
    »Dort sind sie fürs Erste sicher. Aber später sollten Sie sie Fergal
geben. Er weiß Verstecke in diesem Haus, die nicht einmal ich kenne.«
    »Fergal scheint viele Talente zu besitzen«, bemerkte ich.
    »Aye«, bestätigte Daniel. »Nur wenige können ihm das Wasser reichen.
Es war seine Idee, Jack und Wilson zu sagen, dass Sie krank sind. Er hat die
Rolle des Pflegers so hingebungsvoll gespielt, dass er fast sogar mich
überzeugt hätte.«
    »Sie sind schon lange befreundet, sagt Fergal.«
    Daniel nickte. »Ja. Etwa zwanzig Jahre.«
    »Dann müssen Sie beide sehr jung gewesen sein, als Sie sich
kennenlernten.«
    »Ich war fünfzehn und Fergal ein wenig älter, als wir in Plymouth
beinahe bei der Marine gelandet wären.«
    Meine geschichtsbegeisterte Mutter hatte mir einmal ausführlich
geschildert, wie damals Presstrupps Dorfbewohner mit Gewalt für den harten
Militärdienst rekrutierten. Die britische Marine verdankte den zahllosen
Burschen viel, die sich nach einem Zechgelage plötzlich auf einem Schiff, weit
entfernt vom Festland, wiederfanden.
    »Ich war unerfahren und tat nicht viel mehr, als mich mit den
Fäusten zu wehren«, erzählte Daniel, »doch Fergal mit seinem scharfen Verstand
und seiner spitzen Zunge gelang es, uns vor dem Presstrupp zu bewahren und uns
auf ein Fischerboot zu manövrieren. Noch heute hält er mich für unfähig, selbst
auf mich aufzupassen. Vermutlich ist er deshalb nach wie vor hier«, meinte
Daniel schmunzelnd, aber auch ein wenig nachdenklich. »Fergal öffnet sich
anderen Menschen nicht leicht. Doch wer seine Zuneigung einmal erworben hat,
dem bleibt sie ein Leben lang.«
    »Dann können Sie sich glücklich schätzen.«
    »Nicht nur ich. Wenn Fergal wütend wirkt, ist das kein Zorn, sondern
Sorge um Ihr Wohlergehen. Er ist viel zu stolz, sie Ihnen zu gestehen.«
    Ich nickte.
    »War ich wirklich zwei Tage lang weg?«, fragte ich.
    »Ja.«
    Bisher hatte ich über meine Reisen in die Vergangenheit lediglich
gewusst, dass ich daraus nahtlos in meine eigene Zeit zurückkehrte. Doch an diesem
Ende der Gleichung schienen andere Regeln zu gelten.
    Daniel, der mein Stirnrunzeln bemerkte, blinzelte. »Was ist?«
    Ich erklärte es ihm, so gut ich konnte. »Das ergibt keinen Sinn«,
beklagte ich mich. »Es ist nicht logisch, es …« Er lachte. »Was?«
    »Verzeihen Sie meine Belustigung, aber Sie reisen durch drei
Jahrhunderte, und Ihre größte Sorge ist, dass die Zeiten nicht zusammenpassen?«
    »Ja, was finden Sie daran so lustig?«
    »Würde ich auf der Straße nach Plymouth einem voll bekleideten
Schwein mit Stiefeln begegnen, gälte mein Interesse nicht der Farbe seiner Knöpfe.«
    »Ich würde nur gern begreifen, was vor sich geht.«
    »Ich weiß. Aber es gibt Dinge im Leben, die unser Denkvermögen
übersteigen. Warum sie sich ereignen, verstehen wir möglicherweise nie. Trotzdem
passieren sie.« Seine Belustigung verwandelte sich in Neugierde. »Was würde es
ändern, wenn wir es verstünden?«, fragte er.
    »Keine Ahnung. Wahrscheinlich nichts.«
    »Sie wären immer noch hier.«
    Was sollte ich darauf sagen?
    Daniel klopfte die Asche aus seiner Pfeife. »Wenn ich mich nicht
gegen den Wind stemmen kann«, sagte er, »muss ich mich von ihm tragen lassen,
wohin er möchte.«
    Er hatte recht. Manche Mächte ließen sich nicht beherrschen; das
galt für Herzen und Schiffe auf See gleichermaßen. Ich sah ihn an. »Ich bin
keine gute Seglerin.«
    »Geduld«, riet er mir. »Vielleicht lernen Sie es noch.«

EINUNDZWANZIG

    Z uvor musste ich
jedoch noch viele andere Dinge lernen.
    Fergal zeigte mir, für den Fall, dass ich wieder in seiner Zeit
eintreffen würde und niemand da wäre, wie der Haushalt und alles, was
dazugehörte, organisiert war, von dem

Weitere Kostenlose Bücher