Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Licht über den Klippen

Licht über den Klippen

Titel: Licht über den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
Vom Netzwerk:
ihren eigenen Kopf und tat, was sie wollte.
Sie hätte Creed nie gezeigt, dass sie Angst vor ihm hatte. Darin sind Sie ihr
ähnlich. Beide zu stolz, ihre Angst zu zeigen.«
    »Ich bin überhaupt nicht stolz. Wenn der Constable in der Nähe ist,
habe ich schreckliche Angst.«
    »Das brauchen Sie nicht. Wenn er Sie nicht in Ruhe lässt, bekommt er
es mit mir zu tun, und hinter mir steht Danny. Der ist kein leichter Gegner.«
    »Solange er nicht tot im Straßengraben liegt«, erinnerte ich ihn.
    Fergal zuckte mit den Schultern. »Das war nur so dahingesagt. Machen
Sie sich keine Sorgen.«
     
    Später, als ich im Bett lag, konzentrierte ich mich auf
die leisen Geräusche im Haus: das Trippeln der Mäuse hinter den Wänden, das
Knarren der Deckenbalken, Fergals Schnarchen am anderen Ende des Flurs. Ich
wollte mir einreden, dass ich genauso ruhig schlafen konnte wie er. Doch es
gelang mir nicht.
    Vor meinem geistigen Auge stiegen schreckliche Bilder auf: Daniel,
der sich dem Hügel näherte und dort wie Jack in einen Hinterhalt geriet,
verprügelt und gefesselt wurde, während der Constable alles mit zufriedenem
Grinsen beobachtete.
    Ich wälzte mich im Bett herum. Obwohl es draußen kühler und feuchter
geworden war, ließ ich die Fenster offen, um jedes Geräusch von der Straße zu
hören. Es war windstill, und nur der Ruf einer Eule aus dem Wald und das träge
Lecken der Wellen am Kiesstrand unter den schwarzen Klippen waren zu hören.
    Als ich Stunden später endlich Schritte vernahm, war meine
Erleichterung von kurzer Dauer, weil diese Schritte seltsam ungleichmäßig
klangen. Hatten die Handlanger des Constable Daniel aufgelauert, der sich nun
verwundet zum Haus schleppte?
     
    Dann schwang unten die Tür auf und schlug zu, als hätte
ihr jemand einen Fußtritt versetzt. Es folgte lautes Geklapper.
    Ich stand an der Tür, als ich Lachen hörte, Jacks vom Alkohol
undeutliche und Daniels tiefe, ruhige Stimme. Er hatte Jack nach Hause
gebracht. Ihm war nichts passiert.
    Warum ihre Schritte draußen so ungleichmäßig geklungen hatten, wurde
klar, als die Männer die Treppe heraufkamen: Jack war so betrunken, dass er
sich kaum noch auf den Beinen halten konnte, und Daniels Fluchen entnahm ich,
dass es ihm beträchtliche Mühe bereitete, seinen Bruder zu stützen.
    »Linker Fuß … linker Fuß. So ist’s gut«, sagte Daniel.
    »Sch«, erwiderte Jack übertrieben leise. »Willst du das ganze Haus
aufwecken?« Er brach in Gelächter aus.
    Dann knallte etwas gegen meine Tür, und das Lachen brach
unvermittelt ab.
    Wieder fluchte Daniel.
    Als ich die Tür halb öffnete, um auf den Flur hinauszuschauen, sah
ich Jack bewusstlos davor liegen. Daniel bückte sich gerade, um seinen Bruder
unter den Achseln zu packen und hochzuziehen.
    Der Tabak- und Schnapsgeruch, den man nach einem Abend im Pub mit
nach Hause brachte, hatte sich in dreihundert Jahren nicht verändert. Jack erschien
mir so betrunken, dass er nicht hören würde, wenn ich etwas sagte. Mit
gesenkter Stimme fragte ich Daniel: »Alles in Ordnung mit ihm?«
    »Was?« Er hob erstaunt den Blick. »Ach, ihm geht’s gut. Sie können
wieder zu Bett gehen«, versicherte er mir. »Ich schaffe ihn gleich hier weg.«
    Ich öffnete die Tür ganz und schob die Arme zum Schutz gegen die
Kälte unter die Decke. Jack kippte zur Seite und wäre wieder zu Boden gestürzt,
wenn sein Bruder ihn nicht aufgefangen hätte. »Ist wirklich alles in Ordnung?
Er sieht irgendwie …« Fast wäre mir das Wort »tot« herausgerutscht.
    »Keine Sorge. Ich habe ihn schon in schlimmerem Zustand erlebt.«
    »Wenn Sie meinen.« Als ich zurück ins Zimmer wollte, schlug Jack die
Augen auf und starrte mich verblüfft an.
    »Eva?«
    Verdammt, dachte
ich. Er hatte mich doch sprechen gehört.
    Jack versuchte, sich dem Griff seines Bruders zu entwinden. »Eva«,
wiederholte er mit ungläubiger Miene. »Sie können …«
    Mehr bekam er nicht heraus, bevor er erneut das Gleichgewicht verlor
und wie ein Holzklotz auf dem Boden landete.
    Ich blieb an der Tür stehen, unsicher, was ich sagen sollte, weil
ich ein schlechtes Gewissen hatte. Es wäre besser gewesen, im Zimmer zu bleiben
und mich nicht einzumischen. Ich sah Daniel an und wartete auf seine
Strafpredigt.
    Er hob nachdenklich die Hand und rieb sich den Nacken. Mit einem
Nicken in Richtung seines auf dem Boden ausgestreckten Bruders meinte er: »Hab
ich nicht gesagt, dass ich ihn schon schlimmer erlebt habe?«
    Ich musste lachen.
    Was zu weiteren

Weitere Kostenlose Bücher