Licht über den Klippen
so
stark, dass sie mich verrieten. Daniel reagierte verwirrt, dann veränderte sich
seine Miene.
Das große Scheit sank knackend auf die kleineren darunter, und ich
wandte mich bemüht nonchalant ab. »Nun …«, hob ich an.
»Das hätten wir«, sagte Daniel nach kurzem Schweigen und richtete
sich auf.
Auch ich erhob mich, bevor er die Möglichkeit hatte, mir
aufzuhelfen, weil ich keine weitere Berührung riskieren wollte. Mit gesenktem
Blick murmelte ich: »Danke.« Dann verfing sich mein Fuß in der Decke, die ich
immer noch um die Schultern trug, und ich stolperte.
Daniel brachte mich mit einer Hand wieder ins körperliche
Gleichgewicht, innerlich jedoch vollends aus der Balance.
»Tut mir leid«, sagte ich, streckte instinktiv beide Arme aus und
berührte seine Brust. Seine Finger schlossen sich um meine Ellbogen, und ich
machte die Augen zu, damit er die Liebe darin nicht sah.
»Eva.«
Ich öffnete die Augen wieder, und wir blickten einander an.
Verblüfft dachte ich: Er fühlt es auch. Mein Gott, er empfindet genauso wie
ich.
Seine Berührung veränderte sich, und ich wurde unsicher. Obwohl ich
mir wünschte, dass er mich küsste, hatte ich Angst davor.
Als seine Hände zu meinen Schultern wanderten, hielt ich den Atem
an. Er ergriff die Enden der Decke, die heruntergerutscht waren, und wickelte
mich vorsichtig wieder hinein.
Ich hatte das Gefühl, dass er etwas sagen wollte, doch am Ende
nickte er nur und verabschiedete sich mit einem »Gute Nacht«.
Die Tür zu meinem Zimmer stand halb offen. Die Hand auf der Klinke,
fragte er, über die Schulter gewandt: »Eva?«
»Ja?«, krächzte ich.
»Verschließen Sie die Tür.«
Dann zog er sie hinter sich zu. Ich schlang die Decke enger um den
Leib und spürte eine Wärme, die nichts mit dem Feuer zu tun hatte.
FÜNFUNDZWANZIG
S ie haben selten gute
Laune heute Morgen.« Aus Fergals Mund klang das wie ein Vorwurf. Er hackte
Brennholz am hinteren Ende des Hofs neben den Stallungen, und ich sah ihm, auf
einem Baumstamm sitzend, zu. Fergal holte mit solcher Wucht aus, dass die Axt
das Scheit mit einem einzigen Schlag spaltete und in dem vernarbten Hackstock
stecken blieb. Als er sie herausgezogen hatte, blickte er mich argwöhnisch von
der Seite an. »Ich frage mich, warum?«
»Weil ich glücklich bin.«
Das war die Wahrheit. So glücklich, dass nichts mir die Laune
verderben konnte. Weder Fergals Gebrummel noch mein Magenknurren, das mich
daran erinnerte, dass ich nicht gefrühstückt hatte, noch der wolkenverhangene
Tag. An diesem Morgen erschien die Welt mir wunderschön, weil Daniel Butler für
mich das Gleiche empfand wie ich für ihn.
Seit dem Aufwachen hatte ich die Szene vom Vortag mehrfach vor
meinem geistigen Auge abgespult und war mir bei jedem Mal sicherer geworden,
dass ich mich nicht täuschte. Er begehrte mich so wie ich ihn.
Daniel hatte kurz nach Tagesanbruch das Haus verlassen. Ich hatte
das Knarren der Bodendielen im Zimmer nebenan gehört und bemerkt, dass er sich
der Verbindungstür zweimal näherte, stehen blieb und wieder umkehrte. Am Ende
war er die Treppe hinuntergegangen, und wenig später hatte sich das Klappern
der Pferdehufe von den Ställen zur Straße und schließlich den Hügel hinauf entfernt.
Ich sah Fergal an. Obwohl Jack noch nicht aufgetaucht war, sprach
ich leise. »Wissen Sie, wohin Daniel heute Morgen wollte?«
»Nein.« Wieder sauste die Axt hernieder. »Aber mir sagt ja sowieso
keiner was.«
Erneut blieb die Axt im Hackstock stecken. Fergal zog sie heraus,
drehte die Klinge hin und her und ließ stirnrunzelnd den Daumen über eine
Scharte gleiten.
»Ist sie kaputt?«, erkundigte ich mich.
»Leider nein. Dieses alte Ding ist unzerstörbar. Es hat einmal
Dannys Onkel gehört und ist mindestens so mürrisch wie er.«
Ich schmunzelte bei der Vorstellung, dass Fergal sich etwas beugen
musste, das noch störrischer war als er selbst.
»Wie hieß dieser Onkel? War er ebenfalls ein Butler?«
»Nein, ein Pritchard. Warum?«
»Nur so. Auf dem Friedhof gibt es nicht viele Butler-Gräber, nur das
von Ann und …« Ich verstummte gerade noch rechtzeitig.
Fergal entging mein Zögern nicht. »Haben Sie auch mein Grab
gesehen?«
»Fergal.«
Er stellte schulterzuckend ein weiteres Scheit auf den Hackstock.
»Keine Angst. Ich bin nicht daran interessiert, etwas über meine Zukunft zu
erfahren. Niemand sollte in seine eigene Zukunft blicken.« Er sah mich von der
Seite an. »Es sollte auch niemand etwas über das
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