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Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Ernst
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Burgl, hilf mir. Ich will nicht, dass er in meiner Hütte stirbt.«
    »Ich komm schon«, antwortete die Alte und begann eilig ein paar Sachen in eine Strohtasche zu packen.
    Der wachsende Mond hatte alle Wolken vertrieben und die Sternbilder hingen hoch über den Bergen, ein Bild von betäubender Schönheit, die der Erde einen seligen Frieden vorgaukelte, den es nicht gab. Es gab nur Hass auf dieser Erde und niemand wusste eigentlich, warum er hassen musste.
    Anna ging mit zügigen Schritten den schmalen Serpentinenweg entlang. Die Burgl hatte Mühe ihr nachzukommen. Gesprochen wurde auf dem ganzen Weg kein Wort.
    Erst als sie auf der Kuppe angelangt waren, stöhnte die Burgl, nach Luft schnappend:
    »Renn doch nicht so! Ich möcht doch auch noch mitkommen. Oder brauchst mich vielleicht gar nicht?«
    »Doch, doch, Burgl. Mir kann sonst niemand helfen.«
    »Dann musst dir ein bissl Zeit lassen. Ich kann nicht mehr so schnell.«
    »Ich hab bloß Angst, wir kommen zu spät. Als ich wegging, hat er sich überhaupt nicht mehr gerührt.«
    »Aber tot war er noch nicht? So schnell stirbt nämlich ein Mensch nicht, schon gar kein junger Mensch.«
    »Das wär ja furchtbar, wenn er sterben musste.«
    »Wieso, er ist schließlich doch unser Feind.«
    »Trotzdem! Stell dir bloß die Scherereien vor.«
    In der Tiefe sah man jetzt den Schatten der Almhütte liegen. Der Abstieg ging etwas langsamer vonstatten, obwohl Anna am liebsten den Hang hinuntergerannt wäre. Der Alten wegen aber musste sie sich an den Weg halten.
    »Sag, Anna, ging es dir sehr nah, wenn er sterben tat?«
    Anna ärgerte sich über das Gerede der Alten und wehrte ab: »Sei doch still jetzt.«
    Sie kamen auf die Hütte zu und Anna sperrte auf.
    »Schau zuerst, ob die Fensterläden dicht sind«, sagte die Burgl. »Die Nacht hat oft unerwünschte Augen.«
    »Sie sind dicht«, bestätigte Anna, die vor dem Weggehen schon nachgeschaut hatte.
    Sie legte den hölzernen Querbalken vor, fasste die Alte an der Hand und führte sie durch den dunklen Hüttenraum in die kleine Kammer, in der die Kerze mittlerweile schon weit niedergebrannt war.
    Der Verwundete lag, wie es schien, immer noch in tiefer Ohnmacht. Seine Nase stach spitz und gelb aus dem schmalen Bubengesicht. Nur manchmal kam ein gequältes Stöhnen aus seinem zusammengepressten Mund.
    Auf dem Boden lag die Fliegerkombination. Der Uniformrock mit den Silberwinkeln hing über dem Stuhl. Das Hemd war auf der linken Seite blutgetränkt.
    Die Burgl betrachtete ihn eine Weile schweigend. »Mein Gott, so ein Büberl noch«, klagte sie voller Mitleid. Dann begann sie, ihm das Hemd über den Kopf zu ziehen. Anna stand daneben und leuchtete mit der Kerze. Beim Anblick der Wunde musste sie wegsehen.
    Es dauerte keine zwei Minuten, da wusste die Burgl bereits Bescheid. In der linken Achselhöhle steckte ein spitzer Splitter. Die Wunde hatte sich bereits darüber geschlossen. Entzündung und verkrustetes Blut ließen das Ganze unwirklich groß und gefährlich erscheinen.
    »Lass mich zuerst die Händ’ waschen«, sagte die Alte, und Anna brachte in fliegender Eile eine Schüssel mit Wasser und Seife. Dann griff die Burgl mit spitzen Fingern nach der Kante des Splitters. Die grauen Haarsträhnen hingen ihr schon wieder ins Gesicht. Ihre Augen glühten. Sie sah jetzt wirklich unheimlich aus und Anna erschrak ein wenig, als ihr Blick sie traf.
    Noch mal richtete die Alte sich auf und schärfte dem Mädchen ein: »Wenn er schreit, dann musst du ihm sofort das Kissen auf den Mund pressen. Die Nacht hat oft auch unerwünschte Ohren.«
    Und er schrie. Er brüllte wie ein Tier, aber da war schon das Kissen auf seinem Mund.
    Triumphierend hielt die Burgl den scharfen, kantigen Splitter in der Hand und legte ihn dann auf das Tischchen. Dann arbeiteten ihre Hände ganz ruhig. Gegen ein eventuelles Fieber legte sie Huflattichblätter auf, die sie zuerst mit einer Flüssigkeit benetzte. Um den entzündeten Rand der Wunde strich sie eine gelbliche Salbe, die aus Güldenkraut und Salbei gerührt war. Schließlich musste Anna in Ermangelung anderen Verbandstoffes ein paar lange Streifen vom Fallschirm herunterreißen. Eine Viertelstunde später war die Wunde so fachgerecht versorgt und verbunden, als hätte ein erfahrener Stabsarzt das Werk vollbracht.
    Schweiß stand nun auf der Stirn der Alten. Sie strich ihn mit dem Handrücken fort. Dann kramte sie aus ihrer Strohtasche noch irgendwelche Tropfen.
    »Nimm einen Löffelstiel und halt

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