Licht vom anderen Ufer
Teufel.«
»Teufel? Dann werd ich dir den Teufel zeigen.«
Und ehe sie es verhindern konnte, hatte er sie umklammert. Diesen Anprall hatte sie nicht erwartet. Unglückseligerweise geriet sie dadurch ins Stolpern und lag dann wehrlos am Boden. Sie presste die Lippen fest zusammen und musste es dulden, dass sein gieriger Mund sie küsste, wo er sie gerade traf.
»Sei doch nicht so widerspenstig«, zischte er ihr ins Ohr. »Dirndl, sei gescheit, du sollst es nicht bereuen. Kannst ja deinen Amerikaner haben – danach… «
Aber Anna wehrte sich jetzt mit aller Kraft. Wo die Hände nicht reichen wollten, nahm sie auch die Füße her. Knurrend nahm er die Schläge hin, ihre heftige Abwehr entfachte seine Kräfte erst recht. Schon hatte er ihr den Spenzer halb herabgerissen.
»Oliver, hilf mir«, schrie Anna in ihrer Not.
Oliver aber hatte den Lärm bereits vernommen. Er stand schon auf der Leiter, übersah mit einem Blick die ganze Situation und sprang dem Schleicher mit einem wilden Satz an den Hals. Ein kurzes, hartes Ringen entstand, dann flog Urban dröhnend auf den Bretterboden.
Einen Augenblick verharrte er geduckt. Dann schnellte er hoch und seine Hand griff blitzschnell nach der Messertasche.
»Oliver, gib Obacht«, schrie Anna schrill.
Oliver aber hatte die Gefahr bereits bemerkt. Und weil ihn sein linker Arm doch sehr hinderte, schlug er dem Schleicher mit einem schwungvollen Schlag seines Fußes das Messer aus der Hand. Dann ließ er Schlag auf Schlag auf ihn niederprasseln. Anna selbst war es, die Einhalt gebieten musste, sonst hätte Loferer wahrscheinlich den Raum nicht lebend verlassen. Blutüberströmt taumelte er zur Tür hinaus in die Nacht.
Wortlos schmiegte sich Anna in Olivers Arme und schluchzte hemmungslos. Still ließ er sie weinen, und erst als sie ruhiger wurde, sagte er:
»Und alles meinetwegen.«
»Nein, Oliver. Ich muss nur weinen, dass ein Mensch so schlecht sein kann.« Dann wurde sie ruhiger. »Du musst gleich im Morgengrauen fort, Oliver. Ich weiß ein Versteck, auf der Hochalm werden sie dich nicht finden.«
Er schüttelte den Kopf. »Kommt gar nicht in Frage. Wenn sie mich nicht finden, wirst du dafür büßen müssen. Das kann ich nicht von dir verlangen.«
»Doch, Oliver, hör auf mich. Ich nehme es auf mich, das schaffe ich schon.«
»Das sagt sich jetzt so leicht. Nein, nein, Engel. Wenn ich gehe, musst du mitkommen. Allein lasse ich dich jetzt auf gar keinen Fall.«
»Ich kann die Tiere nicht allein lassen, Oliver.«
»Gut, dann bleibe ich eben auch, bis sie kommen.«
Sie dachten nicht mehr an Schlaf in dieser Nacht. Sie saßen eng umschlungen auf der kleinen Bank neben dem Herd und sagten sich alles, was sie sich über ihre Liebe sagen mussten. Oliver versuchte ihr auszureden, woran sie schuldig geworden zu sein glaubte.
»Kein Mensch kann etwas für die Liebe«, sagte er. »Und wenn du schon meinst, schuldig zu sein, bin ich es genauso. Ich dürfte dich genauso wenig lieben wie du mich.«
Sie schwiegen eine Weile.
»Und außerdem haben nur die Menschen bestimmt, dass wir Feinde sein sollen«, sagte Oliver dann.
»Dann ist es ja gut«, nickte Anna fast fröhlich.
Als es vor den Fenstern zu grauen begann, schlang Anna ein Tuch um ihre Schultern und öffnete die Tür.
»Ach, sieh her, es hat geschneit«, sagte sie.
Tatsächlich, es hatte geschneit, aber es musste erst nach Mitternacht eingesetzt haben, weil man sonst die Spur des Loferers hätte sehen müssen.
»Wo willst du hin, Anna?«, fragte Oliver.
»Nicht weit. Nur einmal da hinüber. Ich bin gleich wieder hier.«
Sie war auch nach einer Viertelstunde zurück und hielt ihm auf der flachen Hand die Pistole hin, die sie damals ins Gebüsch geworfen hatte.
»Damit du nicht ganz wehrlos bist, wenn sie kommen«, meinte sie.
»Ich hoffe, dass ich sie nicht mehr brauchen werde«, antwortete er und horchte in den anbrechenden Morgen hinein. Nichts rührte sich und hell stand der Wald in seinem weißen Winterkleid. Jetzt noch zu fliehen, war Wahnsinn, denn in dem neu gefallenen Schnee wäre seine Spur leicht zu verfolgen gewesen.
Oliver zählte die Patronen. Mit dem Reservemagazin hatte er zwölf Schuss zur Verfügung. Er war jetzt fest entschlossen, sein Leben so teuer wie möglich zu verkaufen.
Anna konnte die Kühe nicht hinauslassen und musste vom Boden Heu herunterwerfen, um sie zu füttern. Oliver saß am Fenster, die Pistole in der Hand, und ließ den Hang nicht aus den Augen. Später saß auch
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