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Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Ernst
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Ader an ihrem Hals spannte sich, als sie ihn küsste.
    Sie blieb bei ihm, bis er sich ins Heu gekuschelt hatte. Dann deckte sie ihn bis an den Hals hinauf zu und fand jetzt sogar für seine kleine Lüge ein verzeihendes Lächeln, mit der er ihr versprechen zu müssen glaubte, dass er sie mitnähme nach Amerika, sobald der Krieg zu Ende sei.
    Es war jetzt das erste Mal, dass Anna ihn darum bat,
    ihr ehrlich zu sagen, ob schon ein Mädchen in seinem Leben gewesen sei. Er schüttelte den Kopf. »Nein, Engel, du bist die erste Frau, die ich liebe.«
    »Oliver, das macht mich froh. Nun schlaf aber recht gut, und komm morgen nicht herunter, ehe ich dich rufe. Gute Nacht, Lieber…«
    »Gute Nacht, Engel.«
    Als Anna die Leiter wieder heruntergestiegen war, erschrak sie bis in die Tiefe ihres Herzens hinein.
    Mitten in der Stube stand der Urban Loferer und zwirbelte an seinem Bärtchen. Sie hätte schreien mögen, aber die Kehle war ihr wie zugeschnürt. Er weidete sich förmlich an ihrer Angst und fragte dann mit höhnender Freundlichkeit: »Na, hast jetzt deinen schmalzhaarigen Amerikaner hinaufbracht ins Heu?«
    Anna stellte die Laterne auf das Fensterbrett und drehte den Docht herunter. Dann hob sie den Kopf und sah den Schleicher furchtlos an.
    »Wie bist du hereingekommen?«
    Der Schleicher lächelte überheblich und siegessicher.
    »Das nennt man Pech. Die Stalltür zuzusperren hast du vergessen. Aber vorher hab ich da draußen gestanden vor dem Fensterladen und hab alles gehört. Schau so ein Luder an. Versteckt sie den Amerikaner.«
    Anna hatte ihren Schreck jetzt ganz überwunden. Und die Tochter des Bauern vom Goldenen Grund besaß Heftigkeit genug, sich wütend vor etwas zu stellen, wofür sie ganz allein die Verantwortung zu tragen hatte. Und als sie dies tat, da sah sie noch schöner aus, kraftvoller, das Gesicht von einer leichten Röte gefärbt.
    »Jawohl«, sagte sie und es klang Triumph in ihrer Stimme. »Ich habe ihn versteckt, weil ich nicht haben wollte, das er dir oder deinesgleichen in die Hände fällt.«
    Die Augen des Schleichers hingen gierig an dem Bild zorniger Schönheit.
    »Glaub schon, dass du ihn lieber in deinen Händen hattest. Teufel, wie du küssen kannst. Ganz verrückt bist du mit ihm – mit dem Feind, während unsere braven Buben den Kopf hinhalten müssen.«
    »Ja, bloß du den deinigen nicht. Was willst du überhaupt? Der Krieg ist so gut wie verloren.«
    »Noch nicht ganz, noch nicht ganz«, antwortete er schnell. »Lach nur nicht zu früh. Noch hast du dein Glück nicht unter deinem warmen Dach. In Blockstein unten ist noch alles voll von deutschen Soldaten. Jeden Moment können die Wunderwaffen eingesetzt werden, dann wirst du sehen, wie schnell sie wieder draußen sind, die Herren Amerikaner. Dann ist der Weg frei für dich – nach Dachau, wenn sie dich nicht überhaupt gleich aufhängen. Er wird sowieso gleich abgemurkst werden.« Er sah, wie sie zusammenzuckte, und ging auf sie zu. »Ja, ja, schöne Rauscher Anna, da hast du dir eine böse Suppe eingebrockt. Ich brauch bloß ein Wort zu sagen.« Anna trat zurück, so sehr ekelte sie sein Atem.
    »Dann geh meinetwegen und verrate ihn. Ob sie ihn erwischen, wird sich ja zeigen.«
    »Sie werden ihn fangen, verlass dich drauf. Jetzt weiß man ja, wo er steckt. Bloß – du hast es jetzt in der Hand. Es liegt nur an dir, ob es jemand erfährt, dass er da ist.«
    Anna schloss für einen Moment die Augen. Sie wusste genau, was er meinte. Ob sie die Kraft haben würde, das zu tun? Der Gedanke daran war zum Erbrechen. Und doch. Es ging um Oliver, um sein Leben und um ihrer beider Liebe. Sie stand wie erstarrt da und nahe an ihrem Ohr klang jetzt die Stimme des Schleichers:
    »Also, was ist? Kein Mensch wird je erfahren von der Stunde, die du mir schenkst.«
    Es bliebe nicht bei dieser einen Stunde, durchzuckte es sie. Sie fühlte, dass sein Blick messerscharf auf sie gerichtet war, wie der eines Raubvogels, der sich seiner Beute schon sicher ist. Mit schmalen Augen sah sie ihn an.
    »Du bist doch das Gemeinste, was rumläuft auf der Erde. Zuerst hast du mich wegen des Vaters unter Druck setzen wollen, und jetzt – «
    »Reg dich doch nicht so künstlich auf«, unterbrach er sie grob. »So eine wie du hat es grad nötig, sich aufs hohe Ross zu setzen. Was ist denn schon dabei? Du machst die Augen zu und denkst dir, der Loferer ist auch ein Mensch, der ein bissl Wärme braucht.«
    »Du bist kein Mensch, du bist ein

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