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Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Ernst
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kannten ihren Oberst, der niemals seine Leute unbedacht geopfert hatte. Ihre Blicke gingen zu den Bergen hinauf. Würde man dort oben nochmals eine Verteidigungslinie aufbauen? Oder hatte der Oberst sich schon entschieden, den Kampf einzustellen? Sie waren hier so gut wie eingeschlossen. Es blieb nur noch der Weg über das Gebirge.
    Etwa ein Dutzend Mustangs flogen von Westen her im Tiefflug in das Tal ein. Sie kurvten wie wild über dem Dorf, dann hatten sie die Flakgeschütze am Ufer der Riss entdeckt und schossen sie mit ihren Bordkanonen zusammen, noch ehe eins der Geschütze einen Schuss abgeben konnte.
    Damit war die Entscheidung gefallen. Das Regiment sammelte sich und zog in Richtung Goldener Grund davon. Emma Brommesberger hatte wieder einmal das Nachsehen, denn auch der Feldwebel, der in ihrem Stübchen gerade seine Uniform mit Zivilkleidung vertauschen wollte, besann sich eines anderen und zog mit davon.
    Dann blieb es den ganzen Tag still. Es war so, als sei bereits Friede. Das Weiß der Blüten lachte unschuldsvoll
    in allen Gärten und die Schwalben schwirrten in der Luft.
    Um fünf Uhr am Nachmittag läutete auf der Polizeistation das Telefon. General Franko nahm den Hörer ab und vernahm aus dem fünf Kilometer entfernten Kulbinsegg die Meldung:
    »Soeben rollen die ersten amerikanischen Panzer in den Ort.«
    General Franko wollte noch etwas fragen. Da knackte es in der Leitung. Die Verbindung war und blieb unterbrochen. Der Polizeiwachtmeister Federl schnallte seine Pistole ab und legte sie auf den Tisch. Daneben Karabiner und zwei Panzerfäuste, mit denen die Station in den letzten Tagen noch in aller Eile ausgerüstet worden war. General Franko aber nahm seinen Karabiner aus dem Schrank, steckte einen Rahmen Patronen ein und schnallte die Patronentaschen mit weiteren neunzig Schuss um. Dann richtete er seine Schirmmütze vor dem Spiegel so, dass die Kokarde genau über der Nasenwurzel saß.
    »Was soll das noch bedeuten, Herr Kommissar?«, fragte ihn sein Untergebener.
    Da erwachte der alte Mann wie aus einem Traum und sah den Federl mit seinen hellen Augen ganz merkwürdig an.
    »Was das bedeuten soll? Dass der Krieg noch nicht aus ist, weil das doch nicht so sein darf. Niemand hat mich meines Eides entbunden. Pflicht ist Pflicht!«
    »Aber das hat doch alles keinen Sinn mehr!«
    »Als wir den Eid ablegten, hat niemand gesagt, dass wir nach dem Sinn fragen sollen. Bleiben Sie ruhig hier. Ich mache meinen Dienstgang, wie ich ihn über vierzig Jahre gegangen bin.«
    Damit ging der Wachtmeister Frankenberg, genannt General Franko, hinaus und holte sein Fahrrad aus dem Schuppen. Mittlerweile war Federl in den ersten Stock hinaufgesprungen und verständigte Frau Frankenberg.
    »Reden Sie Ihrem Mann doch diesen Blödsinn aus. Jeden Augenblick können die feindlichen Panzer kommen und er will noch auf Dienstgang gehen.«
    Frankenberg schob sein Fahrrad durch den Garten hinaus auf die Straße. Als er das Gartentürchen öffnete, schaute er noch einmal zurück auf das Beet mit den blühenden Tag- und Nachtschatten und der Fliederstrauch in der Ecke ließ seine blauen Dolden mit betäubendem Duft über den Staketenzaun niederhängen.
    Da wurde oben ein Fenster aufgerissen und mit zaghafter Stimme bettelte Frau Frankenberg: »Geh, Vater, was fällt dir denn noch ein! Bleib doch daheim.«
    Langsam schaute er auf und nahm das schmale Gesicht der Frau im Fensterrahmen in seinen Blick.
    »Dienst ist Dienst«, sagte er und schüttelte den Kopf, als verstünde er nicht, was in die Frau gefahren sein mochte, dass sie versuchte, ihn von seiner Pflicht abzuhalten.
    »Die Soldaten sind abgezogen«, flehte die Frau weiter. »Musst denn du mit deinen achtundsechzig Jahren da hinaus, wenn die Amerikaner jeden Augenblick kommen können?«
    »Noch sind sie nicht da«, antwortete Franko in schneidendem Ton. »Also halt mich nicht auf. Dienst ist Dienst und niemand soll mir nachsagen, dass ich ihn nicht bis zum letzten Augenblick erfüllt habe.«
    »Wann kommst denn wieder, Vater?«
    »Dienstgang zwei dauert genau vier Stunden. Also bin ich um halb zehn Uhr wieder zurück. Brauchst nicht auf mich zu warten. Stell mir den Kaffee ins Ofenrohr und richte den Wecker für morgen früh um fünf Uhr.«
    Dann stieg Frankenberg von hinten auf sein Fahrrad, wie er es vor vierzig Jahren gelernt hatte, schob den Karabiner auf seinem Rücken zurecht und fuhr langsam durch das Dorf.
    Ganz langsam, als wolle er sich jeden Hof und

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