Lichtbringer - Lichtbringer
mit dem sie die Albe erwischt haben. Betäubungspfeile, versteht ihr? Kein Gift wie in unseren Waffen!«
Stunden vergingen. Frafa hörte die Geräte, an die sie angeschlossen war, und mitunter die Stimmen ihrer Aufpasser. Ihr Geist klärte sich. Ganz langsam gewann sie ein Verständnis von der Wirklichkeit zurück. Sie spürte den Äther und die Auren ringsum. Sie konnte ihre Essenz auswerfen, und sie nutzte die wiedergewonnenen Fähigkeiten, um tiefer in die Meditation zu gleiten, um ihren Leib zu kontrollieren und die Apparate zu täuschen.
Sie fühlte sich wieder stark, aber sie war immer noch auf der Liege festgeschnallt. Und bei Litiz hatte sie gelernt, dass die Wachen, die sie fühlte und erreichen konnte, nicht unbedingt die Einzigen waren, die sie beobachteten. Vermutlich gab es auch hier Sichtlinsen und andere technische Hilfsmittel.
Dennoch, irgendwann würden die Wärter ihr eine neue Dosis verabreichen, oder jemand anders würde kommen und irgendetwas mit ihr anstellen!
Sie durfte nicht länger zögern.
Sie konzentrierte sich auf ihren eigenen Leib, zog die Essenz zusammen und schrumpfte, nur ein wenig, bis die Lederriemen locker um ihre Handgelenke lagen. Frafa zog die Hände heraus und setzte sich auf. Das Gerät neben ihrem Kopf schrillte. Frafa riss sich die Messfühler von der Stirn, zog die Füße aus den Fesseln.
Sie saß in der Mitte des Zimmers auf einer Art Krankenbett, einen Rollwagen neben sich. Hinter einer Glasfront erstreckte sich ein Korridor, und davor stand eine einzelne Menschenfrau in hellblauem Kittel vor einer lang gezogenen Tischreihe. Sie starrte die Albe aus weit aufgerissenen Augen an.
Frafa rammte ihre Essenz in den Kopf der Frau und schickte einen Schock durch alle Synapsen. Die Frau brach zusammen und wand sich in Krämpfen auf dem Boden. Frafa schwang die Beine über die Bettkante.
Sie trug nur ein weißes Krankenhausnachthemd und war barfuß. Als sie ihre hellen Füße sah, erschrak sie im ersten Moment. Dann fiel ihr wieder ein, dass sie selbst ihre Erscheinung verändert hatte. Das weiße Nachthemd passte sogar besser zu den blonden Haaren als der grobe Gnomenkittel. Sie lächelte kurz, dann ließ sie ihre Essenz weit ausgreifen. Sie ertastete die Auren aller Menschen im Gebäude, schätzte an den Bewegungen ab, wo die Flure lagen und wo die Ausgänge, wer ihr gefährlich werden konnte.
Barsemias saß im Gefängnis auf der Pritsche und fixierte einen Punkt auf dem schmutzigen Betonboden. Er versuchte, an gar nichts zu denken, denn sobald er dachte, spürte er die tödliche Leere in seinem Inneren.
Wie hatte es nur derart schieflaufen können ?
Er atmete hastig und rang um Fassung. So sehr war er in sich selbst versunken, dass er den Tumult erst mit einiger Verspätung bemerkte.
Jedes lebende Wesen entlang des Korridors schrie sich die Seele aus dem Leib, brüllte und winselte in Todesqualen. Andere entsetzliche Laute mischten sich darunter. Und der Lärm kam näher, rollte auf Barsemias zu wie eine Woge der Agonie.
Er sollte Angst haben, aber sein Geist war so leer und betäubt, dass er kaum ein Gefühl aufbringen konnte. Barsemias schaute auf.
Eine helle Gestalt bewegte sich im trüb erleuchteten Flur. Unwillkürlich erhob sich Barsemias und trat auf sie zu. Die Nachtalbe Frafa stand vor den Gittern seiner Zelle, und er musste zweimal hinschauen, bevor er sie erkannte. Die Schreie wurden schwächer, bis nur noch ein Winseln zu hören war. Schluchzen und Röcheln hallte durch die kahlen Gänge des Gefängnistrakts.
»Was tust du denn hier?«, fragte sie.
Barsemias rieb sich die Stirn. Er hatte Mühe, eine Antwort zu finden. Es war kein Schmerz, gegen den er ankämpfen musste, es war eher die Abwesenheit von Schmerz. Eine Leere, die von innen gegen seinen Kopf zu drücken schien. Er bemerkte die respektlose Anrede der Nachtalbe sehr wohl, aber ihm fehlte der Antrieb, darüber zu streiten. Ein leichter Ärger stieg in ihm auf wie der untote Schatten eines echten Gefühls.
»Wonach sieht es denn aus?«, fragte er. »Ich bin hier, um dich zu retten!«
Frafa lachte auf. »Nein. Nein, danach sieht es gar nicht aus.«
»Ich habe mich in der Stadt bei einem Diebstahl erwischen lassen«, erklärte Barsemias.
»Ach?« Frafa runzelte die Stirn. »Ich habe deine Aura gespürt. Aber ich dachte, sie hätten uns alle gemeinsam erwischt, als sie mich geholt haben.«
»Nein«, sagte Barsemias. »Ich wollte mich mit Absicht hier hereinschmuggeln, damit ich dich
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