Lichterfest
willen die Festbeleuchtung aus!«
Ich verließ die Kammer und warf im Vorbeigehen einen kurzen Blick auf die Garderobe, ohne etwas Auffälliges zu entdecken. Vestons und Mäntel über Kleiderbügeln, eine Handtasche an einem Haken, auf der Ablage Hüte, ein hüfthohes Regal mit fein säuberlich ausgerichteten Schuhpaaren, eine schmale Holzbank davor.
Im oberen Stock befanden sich vier Räume, die von einem breiten Korridor abgingen. Wir hatten absichtlich auf Taschenlampen verzichtet, da ich aus Erfahrung wusste, wie aufmerksam die Nachbarn hier oben waren. Die einzige Lichtquelle, die wir zu benutzen wagten, waren die Displays unserer Mobiltelefone. Rasch durchsuchten wir das Bad und zwei weitere Räume, von denen der eine als Büro diente, der andere war einzig mit einem schmalen Gästebett eingerichtet. Soviel ich wusste, war das Paar kinderlos, was erklärte, weshalb nirgendwo Babyfotos hingen und sich auch keine Hinweise wie Zeichnungen oder Bastelarbeiten fanden. Das Schlafzimmer lag an der Stirnseite des Gebäudes, direkt über dem Hauseingang. Zügig öffneten wir Kleiderschränke, durchforsteten die Schubladen zweier Kommoden, inspizierten den Sekretär, spähten unters Bett, in Hutschachteln, chinesische Vasen und setzten uns schließlich abgehetzt auf den Boden.
»Nichts!«
»Auf dem Gang steht eine Truhe«, warf José ein.
»Da habe ich bereits reingeguckt. Die ist leer.«
»Vielleicht haben wir uns geirrt?«
»Oder sie hat das Kleid längst entsorgt.«
»Aber wie hätte sie es rausschmuggeln sollen? Das Haus stand rund um die Uhr unter Beobachtung, und in die Klinik, wo sie nach ihrem Zusammenbruch hingebracht worden ist, hat sie die blutigen Kleider sicherlich nicht mitgenommen.«
Ich betrachtete ratlos die Spiegelschränke, welche die ganze Länge der Wand neben dem Bett einnahmen. Sie standen immer noch offen und gaben von innen beleuchtet den Blick frei auf ihren Inhalt. Vorsorglich hatten wir die Vorhänge zugezogen, damit der verräterische Schein nicht nach draußen drang. Ordentlich aufgereiht hingen Kostüme nebeneinander, alle in dezenten Farben, geschmackvoll und dem Alter ihrer Trägerin angepasst. Eine Unzahl an Blusen füllte dicht an dicht die beiden Schränke daneben, auf deren Ablage zudem Hüte, Handtaschen und Gürtel verstaut waren. Die untersten Regale gehörten allein den Schuhen, die nach Form und Farbe sortiert auf ihren nächsten Einsatz harrten. Walter Graf hingegen hatte rund zwanzig auf den ersten Blick ziemlich ähnlich aussehende Anzüge besessen, die Hemden waren alle weiß oder hellblau, die Krawatten meist dezent gestreift.
Im Gegensatz zu Alice Graf fand sich bei ihrem Mann auch Alltagskleidung. Selbst zum Einkaufen ging sie immer wie aus dem Ei gepellt, hatte Claire gesagt und sich damit als hervorragende Beobachterin erwiesen. Ohne Claires Informationen wäre ich wohl nie so nah an die Lösung des Falles herangekommen.
Allerdings schien ich mich zusammen mit José in eine Sackgasse hineinmanövriert zu haben. Fanden wir das blutige Kleid nicht, falls denn wirklich eines existierte, hatten wir auch keine Beweise zur Hand und niemand würde uns Glauben schenken, schon gar nicht die Polizei.
»Was nun?« José sah mich resigniert an.
»Gibt es einen Dachboden?«
Ohne auf meine Frage einzugehen, erhob sich José und begann, die Schränke zu schließen. Mit jeder Tür wurde es wieder dunkler. Ich rührte mich nicht. Mein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Ich wusste, dass sich die Lösung des Falles in diesem Haus fand.
José schickte sich gerade an, den Schrank zu schließen, als ich wie elektrisiert aufsprang und die letzte Tür wieder aufriss. Sekundenlang starrte ich auf die Ablage mit den Handtaschen. Dann stieß ich triumphierend die Luft aus. Alles hatte plötzlich Sinn, die Puzzleteile setzten sich allmählich zu einem Ganzen zusammen. Einen Augenblick lang ärgerte ich mich, dass ich nicht früher darauf gekommen war.
»Was ist los?«
»Ich glaube, ich weiß jetzt, wo das Kleid ist, und ich kann dir auch sagen, weshalb es dort ist. Den Umschlag werden wir gleich daneben finden, ich hatte ihn vorhin sozusagen vor der Nase. Und vielleicht stoßen wir dabei sogar auf das Bild.«
Von unten war ein leises Klirren zu vernehmen.
»Was war das?«, flüsterte José.
Ich hielt den Finger an die Lippen und geräuschlos glitten wir aus dem Schlafzimmer. Im Gang blieben wir stehen. Kein Mucks drang nach oben.
»Vielleicht war es der Wind?«
»Und wenn
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