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Lichterfest

Lichterfest

Titel: Lichterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
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nicht?« Es war sinnlos, die knappe Zeit mit müßigen Fragen zu vergeuden. Vorhin war eindeutig ein Klirren zu vernehmen gewesen. Das konnte tatsächlich vom Wind herrühren, der ein Stück aus der zerbrochenen Scheibe gelöst hatte. Es konnten aber auch die Glassplitter auf dem Boden gewesen sein, in die jemand getreten war. Und war es ein Einbrecher, dann hatte er das zerbrochene Siegel gesehen. Ich duckte mich und spähte in den unteren Stock. Bläuliches Licht drang durch die Fenster und malte groteske Schatten unter die Möbel und an die Wände, Silhouetten, die mir vorhin nicht aufgefallen waren, ragten plötzlich aus der Düsternis der Nischen und Ecken. Kein Laut war zu hören. Mit angehaltenem Atem wartete ich ab, dann bedeutete ich José, der stehen geblieben war, dass ich mich nach unten begeben würde. Ein leises Knarren des Parkettbodens verriet mir, dass er mir folgte.
    Wie in Zeitlupe schlichen wir die Treppe hinunter. Das Blut begann, in meinen Ohren zu pochen, was mich daran hinderte, leisere Geräusche wahrzunehmen. Unten angekommen, sah ich mich um. Mir fiel nichts Ungewöhnliches auf. Mit ein paar Schritten war ich bei der Haustür und riss die Handtasche, die an einem Haken hing, von der Garderobe. Jetzt würde sich zeigen, ob ich mich geirrt hatte oder nicht. Nervös nestelte ich den Verschluss auf und griff hinein. Das Kleid war da! Ich leuchtete kurz mit dem Handy hinein und zuckte zusammen, als ich den zerknüllten, dunkelblauen Stoff mit den Blutflecken entdeckte.
    Eine ungeahnte Euphorie erfasste mich plötzlich. Gut gelaunt warf ich José die Tasche zu. Während er sofort auf die Terrassentür zusteuerte, spürte ich plötzlich eiskaltes Metall an meiner Wange.
    »Und jetzt schön schrittweise zurück.« Schlueps Stimme klang wie immer gedämpft.
    Ich tat wie mir geheißen und fluchte innerlich. Ich war so dicht dran gewesen, und jetzt vermasselte mir der übereifrige Parteisekretär den Erfolg! Er drängte mich in die Diele zurück, ohne dabei die Spitze des Schürhakens, der gewiss zum Cheminée gehörte, aus meinem Gesicht zu entfernen.
    »Die Tasche«, nuschelte Schluep.
    »Wie bitte?«
    »Der da drüben soll die verdammte Tasche rüberschieben.« Er deutete auf José, der wie erstarrt stehen geblieben war. Widerwillig ließ er jetzt die Handtasche zu Boden gleiten und versetzte ihr einen Tritt, worauf sie auf Schluep zuschlitterte.
    »Herkommen!« Schluep hob die Tasche auf und öffnete sie einhändig, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen.
    Hatte ich mich die ganze Zeit über gefragt, inwieweit er in die Geschehnisse am Montagmittag verwickelt war, so war das der eindeutige Beweis: Schluep war zumindest über den merkwürdigen Kleiderwechsel Alice Grafs auf dem Laufenden. Und es war anzunehmen, dass er auch von Fernandos Erpresserbrief wusste.
    Als Schluep sich des Inhalts der Tasche vergewissert hatte, stellte er sie wieder auf den Boden und schob sie mit dem Fuß zur Seite, dann winkte er José mit einer barschen Handbewegung heran.
    Da dieser sich immer noch nicht rührte, zerrte er mich grob an den Schultern herum, schob blitzschnell den gusseisernen Haken unter mein Kinn und drückte von hinten zu. Ich röchelte und versuchte mich frei zu kämpfen, doch sein Griff war unerbittlich. Zögernd kam José endlich näher.
    »Da rein!« Schluep dirigierte José zur Abstellkammer. Als er drin war, lockerte Schluep endlich den Griff. »Jetzt du!«
    Ich schnappte keuchend nach Luft und kämpfte gegen Schwindelgefühle an.
    »Mach schon!« Schluep schubste mich in den kleinen Raum, in den er uns augenscheinlich einzusperren gedachte.
    Er schaltete das Licht ein und musterte uns. Der Schein der nackten Glühbirne enthüllte erst das ganze Ausmaß von Schlueps nächtlichem Rendezvous mit Hassan. Natürlich hatte er seinen Schal wie immer bis zur Nase hochgezogen, doch diese war merkwürdig schief und mit einem Verband abgedeckt, sein linkes Auge war stark geschwollen und dunkel angelaufen, das ganze Antlitz von lilafarbenen Flecken übersät. Sein Hut verdeckte die Bandage um seinen Kopf nur knapp. Er sah bemitleidenswert aus. Wahrscheinlich fühlte er sich jetzt darin bestärkt, dass Ausländer jeglicher Nationalität ausgeschafft gehörten.
    »Da war wohl jemand wenig erfreut, Sie zu sehen.«
    »Klappe!«
    Es war grotesk. Wenn er sprach, sah es aus, als blubberte ein Kirschauflauf im Ofen.
    Ich senkte den Kopf, damit er meine zuckenden Mundwinkel nicht sehen konnte, dabei fiel mein

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