Lichterfest
nicht, dass der wiederkommt, wir haben ihn ziemlich eingeschüchtert.« Ein stolzes Lächeln lag auf ihren Lippen.
Ich dachte kurz an die gewichtige Dame vor dem Haus im hautengen Latexanzug und wollte mir lieber nicht ausmalen, wozu sie fähig war, wenn sie erst mal in Fahrt kam. »Wann genau fand der Einbruch statt?«
Maria überlegte. »Ich würde sagen, so kurz nach drei Uhr.«
»Konnten Sie das Gesicht des Mannes erkennen?«
»Nein, er trug eine Skimütze über dem Gesicht und eine dicke blaue Jacke.«
»Was für eine Statur hatte er?«
»Statur?«
»Sein Körperbau.«
»Ach so. Er war groß und kräftig.«
»Haben Sie die Polizei gerufen?«
Maria wich etwas zurück und sah mich an, als hätte ich nicht alle Tazas im Schrank.
Verdammt! Meine Frage war tatsächlich nicht gerade nobelpreisverdächtig gewesen. Ich fragte mich, wie viele der anwesenden Damen sich wohl offiziell in der Schweiz aufhielten oder ihrer Arbeit legal nachgingen. Wahrscheinlich waren die meisten von der Art Touristinnen, die das Matterhorn nur von Schokoladenverpackungen her kannte und das Jungfraujoch für etwas Unanständiges hielt.
Ich bedankte mich bei Maria und ging ein paar Schritte die Treppe hinauf.
»Komm mit«, sagte ich zu Antonia.
»Ey, Mann, wer glaubst du, dass du …«
»Jetzt halt die Klappe und komm mit.«
Es wirkte. Sie verzog den Mund, folgte mir aber, wenn auch widerwillig. »Dritter Stock, rechts«, murrte sie, während wir auf den Lift warteten.
Unauffällig beobachtete ich sie. Ich schätzte sie auf achtzehn, höchstens zwanzig. Sie trug kniehohe Stiefel und enge Jeans, ihre Fingernägel glitzerten vielfarbig, als feierten sie permanent Weihnachten. Gelangweilt malmte sie ein Kaugummi und ließ Blasen platzen, bevor sie die rosafarbene Masse wieder in den Mund saugte. Hatte sie sich vorhin vor ihren Freundinnen noch aufmüpfig und draufgängerisch gegeben, so ließ ihre Haltung jetzt nur noch trotzige Ablehnung erkennen. Doch ich erahnte die dahinter verborgene Unsicherheit durch die Art, wie sie jedes Mal mit cooler Miene rasch zu Boden oder an die Decke guckte, wenn ich sie direkt ansah, nur um mich sofort wieder zu mustern, wenn sie glaubte, dass ich es nicht bemerkte.
»Kennst du Rosa?«, fragte ich sie, als wir im Fahrstuhl standen.
Sie starrte mit leerem Blick auf die gegenüberliegende Wand und drehte mir ihr Gesicht betont langsam und desinteressiert zu. »Was geht dich das an?«
»Man hat versucht, bei ihr einzubrechen. Sie ist verschwunden. Und offenbar kommt es niemandem in den Sinn, sie zu suchen.«
»Die kommt wieder. Wir haben anderes zu tun.«
»Was denn? Sinuskurven berechnen?«
Mit einem dumpfen Ploppen barst eine Kaugummiblase vor ihren Lippen. So eng, wie mich Maria hatte glauben lassen wollen, war der Zusammenhalt in der Sippe dann wohl doch nicht.
Der Lift hielt an und ruckelnd schoben sich die Türen auseinander. Ich ließ Antonia den Vortritt und folgte ihr in einen düsteren Korridor. Ihre Absätze klapperten auf dem ehemals weißen Plattenboden. Vom Ende des Ganges drang nur wenig Tageslicht durch ein schmutziges Fenster. Fußabtreter lagen vor den Türen, so abgewetzt und ausgefranst, als wären sie von Hunden zerkaut worden, der penetrante Geruch von Haarspray und angebratenen Zwiebeln hing in der Luft.
»Hier.« Antonia war stehen geblieben und wies etwas linkisch auf eine furnierte Tür.
Ich entzündete mein Feuerzeug und beugte mich vor. Das Metall um das Schlüsselloch war zerkratzt, und auf der Höhe des Schlosses hatte der Einbrecher mit einem Schraubenzieher oder etwas Ähnlichem versucht, die Tür aufzubrechen, die Kratzspuren am Rahmen sprachen dafür. Wahrscheinlich hätte schon eine geschickt eingesetzte Kreditkarte genügt, um die Tür zu öffnen. Die Frauen mussten ihn tatsächlich in flagranti überrascht haben.
Ich wandte mich an meine Begleiterin. »Und er war allein?«
»Ja, Mann.« Sie lehnte an der Wand gegenüber, bearbeitete ihr Kaugummi, als trainiere sie für den Miss-Kiefermuskel-Wettbewerb, und hielt die Arme vor der Brust verschränkt.
»Wer hat ihn bemerkt?«
Antonia stöhnte genervt. »Woher soll ich das wissen? Brave Mädchen wie ich schlafen nachts. Und als ich runterkam, waren schon alle auf den Beinen und haben nur noch rumgeschrien.«
»Du könntest ruhig ein wenig netter sein.«
Ihr Blick wurde leer, als hätte in ihr jemand einen Lichtschalter umgekippt. »Für einen Fünfziger weiß ich jemanden, der so nett zu dir ist, wie
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