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Lichterfest

Lichterfest

Titel: Lichterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
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Frauen, insbesondere meine Mutter, hatten einen starken Hang zum Drama. Was man meiner Meinung nach mit wenigen, sachlichen Worten hätte klären können, brauchte bei ihr einen emotionalen Vorlauf, eine langsam aufköchelnde Einstimmung, bevor sich der Streit zu einem fulminanten Höhepunkt hin hochschraubte, am besten mit Tränen und Geschrei, um dann zu eskalieren. Nach dem Finale waren alle Beteiligten erst mal zutiefst beleidigt und schwiegen demonstrativ. Nur widerwillig und zögernd näherten sie sich wieder an, wobei der Zwist kurzfristig immer wieder aufschäumen konnte. Dafür war dann auch die Versöhnung umso überschwänglicher. Um Bollywood in Reinkultur zu erleben, hatte ich noch nie ins Kino gehen müssen.
    Ich wischte mir die fettigen Lippen mit einer Papierserviette ab und sah die beiden Frauen an. Noch immer herrschte eine lauernde Stille. Meine Mutter und Manju starrten auf ihre Hände, die sich energisch bewegten. Ich wandte mich um und trat einen Schritt auf die Tür zu, da atmete meine Mutter schwer auf. Dieses Zeichen kannte ich – jetzt konnte es sich nur noch um Sekunden handeln.
    Als ich die Hand auf den Türknauf legte und daran zog, legten beide Frauen los. Gleichzeitig, als hätten sie nur auf mein Kommando gewartet. Nicht, dass ich irgendetwas verstanden hätte. Beide fuhren herum, und einen Augenblick lang befürchtete ich schon, sie könnten aufeinander losgehen. Wie zwei Ringkämpferinnen umkreisten sie sich, während sie lautstark aufeinander einschnatterten und mit den Händen fuchtelten, dann wandten sie sich plötzlich synchron mir zu.
    Jetzt war ich dran, ich wusste es, und es gab kein Entkommen. Ich lächelte schicksalsergeben.
    »Sie …!«
    »Sie …!«
    Zwei Finger, die durch die Luft fuhren, zwei Münder, die sich unablässig bewegten, und ich verstand noch immer rein gar nichts. Ich hörte nur Worte wie »alter Drachen«, »Ausbeutung«, aber auch »leichtes Mädchen«, »nichts im Kopf«.
    Wütend funkelten sie sich an, meine Mutter war als Erste wieder zu Atem gekommen. » Aré, ich habe sie nicht herkommen lassen, damit sie jetzt ihr ganzes Geld ausgibt, um sich Kleider zu kaufen! Und dann solche! Hai rabba! « Sie zog dabei ihr melodramatischstes Gesicht, als leide sie unsägliche Qualen, doch das warnende Funkeln in ihren Augen entging mir nicht. Es signalisierte mir eindeutig, dass nicht ich zu entscheiden hatte, auf wessen Seite ich stand.
    »Sie ist altmodisch! Lebt seit zweihundert Jahren in diesem Land und trägt immer noch Saris!«, konterte Manju.
    Meine Mutter fuhr herum, als wäre sie von einem Moskito gestochen worden. »So ein undankbares Ding! Man lädt sie aus reiner Gutmütigkeit ein, und schon nach wenigen Wochen läuft sie herum wie eine Gori, eine Einheimische, eine Weiße!«
    »Gutmütigkeit? Dass ich nicht lache! Für diesen Hungerlohn würde in Indien keine Hausangestellte auch nur den kleinen Finger rühren!«
    » Hai rabba! Man sieht sogar ihre Knie!«, wehklagte meine Mutter. »Sie sieht aus …« Sie fuchtelte mit den Händen in der Luft herum.
    »Pass auf, was du sagst«, zischte Manju, ihre Augen glühten dabei unheilvoll. Unglaublich anziehend sah sie so aus, eine kraftvoll und elegant zum Angriff geduckte Tigerin. Nichts erinnerte mehr an das klapprige Wesen mit den dicken Brillengläsern und der zu großen Strickjacke, das sie zu Beginn ihres Aufenthalts in der Schweiz noch gewesen war. Mein Blick hing wie gebannt an ihr.
    »Sie sieht einfach nicht aus wie eine indische Ehefrau«, seufzte meine Mutter schließlich resigniert. »Dazu kommt noch, dass morgen Auntie Bahula anreist …«
    »Auntie Bahula?« Ich kam nicht mehr mit.
    »Du weißt schon, die Schwester deines Vaters, die erst kürzlich zur Witwe wurde.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Er hat sieben Schwestern. Ich erinnere mich nicht genau …«
    Meine Mutter schnaubte ungehalten. »Du könntest dich wirklich ein bisschen mehr für deine Familie interessieren. Jedenfalls braucht sie jetzt Ruhe und muss sich von dem Schock erholen. Deswegen …« Anklagend blickte sie zu Manju. Nicht eine Sekunde hatte sie den schwelenden Streit vergessen. Sie war immer noch mittendrin.
    » Hai rabba! So viel zu tun und am Wochenende feiern wir auch noch Diwali! «
    Die im ganzen Laden verteilten Öllämpchen und bunten Leuchten waren mir schon aufgefallen. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass das hinduistische Lichterfest vor der Tür stand. Messingtabletts voller blütenförmiger Kerzen

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