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Lichterfest

Lichterfest

Titel: Lichterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
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Heimlichtuerei ging mir langsam auf die Nerven.
    »Na gut, komm mit.« José zog mich noch etwas weiter von der Menschenmenge weg und rückte mit seinem Gesicht so nah an meins heran, dass ich den Geruch seines Eau de Cologne und einen Hauch Marihuana wahrnehmen konnte. Beiläufig fiel mir auf, dass er schon wieder frisch rasiert war.
    »Graf wurde tatsächlich aufgespießt! Zwei Speere haben ihn durchbohrt, der eine davon derart unglücklich, dass er augenblicklich tot gewesen sein muss. Seine Frau Alice hat ihn in der Wohnung aufgefunden. Sie erlitt einen Schock und ist zurzeit im Spital zur Beobachtung.«
    »Waren es tatsächlich afrikanische Krieger? Wie viele?« Adrenalin schoss durch meine Adern. Mit einem Mal war ich hellwach und begierig, mehr zu erfahren. Genau wegen dieses prickelnden Gefühls war ich Privatdetektiv geworden.
    José zögerte, dann grinste er erneut.
    »Was ist daran so verdammt witzig?« Gereizt starrte ich ihn an, während er seelenruhig an seiner Zigarette zog. Dann beugte er sich wieder zu mir rüber.
    »Es gibt keine Afrikaner in dieser Angelegenheit, mein Lieber. Jedenfalls keine menschlichen.«
    »Ach, weshalb sagst du das nicht gleich! Jetzt ist mir alles klar!« Ich packte José am Kragen seines karierten Hemdes und schüttelte ihn. »Jetzt leg endlich los, Mamu! «
    »Lass mir doch die Freude, dich ein wenig auf die Folter zu spannen, schließlich kommt es selten genug vor, dass ich solche Neuigkeiten verbreiten darf.«
    »Ich zeig dir gleich, was wahre Folter ist!«
    »Okay, okay, ist ja gut. Immer musst du gleich grob werden.« Er rückte seinen Kragen zurecht und sah mich missbilligend an. »Wie bekannt ist, reiste Graf nicht sehr oft ins Ausland. Doch vor einem halben Jahr ist er ausnahmsweise und angeblich auf Drängen seiner Frau nach Tansania geflogen …«
    »… was die Schweizer Illustrierte sicher mit einem mehrseitigen Hochglanzbericht gewürdigt hat.«
    » Hombre , halt die Klappe! Aber es stimmt natürlich: Badeferien, Safari, Einkaufsbummel auf dem Markt, das ganze Pauschalangebot auf sechs Doppelseiten. Dort haben die Grafs zwei Krieger gekauft …«
    »Für den Endkampf gegen die Linken?«
    José warf mir einen vernichtenden Blick zu. »Zwei mannshohe Statuen aus Ebenholz. Beide waren bewehrt mit echten Speeren, so wie ihn die afrikanischen Krieger traditionellerweise benutzen. Leider gibt’s die dort meist nur noch als Touristenattraktion in Freizeitparks zu bewundern, aber …«
    »Warte, warte! Du erzählst mir gerade, dass diese Statuen den Graf erledigt haben?«
    »Aufgespießt, genau.«
    »Ich komm nicht mehr mit.«
    »Die beiden Statuen standen auf einem Treppenabsatz in der Ecke an der Wand. Eine kurze Treppe übrigens, die mit ein paar wenigen Stufen Küche und Wohnzimmer verbindet. Wie es scheint, wollte Graf die Treppe hochsteigen und ist dabei ausgerutscht oder gestolpert …«
    »Ausgerutscht?«
    »Montags kommt angeblich immer die Putzfrau. Vielleicht war der Boden noch feucht, was weiß ich.«
    »Ein Unfall?«
    José zuckte mit den Schultern. »Jedenfalls ist er rückwärts in die schräg aufgerichteten Speerspitzen gefallen. Die ganze Treppe und große Teile des Küchenbodens waren voller Blut.«
    »Und man weiß nicht …?«
    »Keinen Schimmer. Bislang war die Ehefrau nicht vernehmbar, die Bullen werden das nachholen, sobald sie sich wieder einigermaßen gefasst hat. Ansonsten …« José deutete auf das Wohnhaus, vor dem immer noch einige Polizeiwagen parkten. »Man ermittelt.«
     
    Etwas benommen ging ich durch die Müllerstrasse. Auf der Rückfahrt war im Radio von nichts anderem mehr die Rede gewesen als vom mysteriösen Tod Walter Grafs, des ›großen‹ Politikers und ›Staatsmannes‹, wie man ihn bereits nannte, der wie kein anderer die politische Landschaft der Schweiz umgekrempelt hätte. Man fand ihn mit einem Mal ›innovativ‹ und einen ›Wegbereiter‹, selbst bei Radiostationen, die noch vor wenigen Stunden kein gutes Haar an ihm gelassen hätten. Innert kürzester Zeit hatten sich massenhaft Leute gefunden, die nun auf Kommando in die Reportermikrofone schluchzten und beschworen, wie sehr sie Graf inspiriert hätte und welch leuchtendes Vorbild er ihnen immer gewesen sei. Ich hatte es ja vorhergesagt. Im Moment waren es nur die Radiosender, doch gleich würde das Fernsehen nachziehen und im Anschluss dann die Printmedien: Tageszeitungen, Wochenhefte, Monatsmagazine. Man würde sich bis zur Erschöpfung mit diesem Mann

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