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Lichterfest

Lichterfest

Titel: Lichterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
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Hombre, ich hechle wie ein Asthmatiker. Mit dem Fahrrad ist das eine Gewalttour. Und meine Kondition ist auch am Arsch.«
    »Du hättest dir mein Auto ausleihen können.«
    »Dazu war keine Zeit. Und wahrscheinlich bin ich schneller mit dem Velo als mit dem alten Schrotthaufen.«
    »Kein Wort gegen meinen Käfer!«
    José lachte, was unweigerlich zu einem Hustenanfall führte.
    »Und du sagst, der Graf wurde von afrikanischen Kriegern aufgespießt? Das ist doch grotesk! Völlig unvorstellbar!«
    »Das ist noch nicht offiziell, aber so habe ich das verstanden. Tot ist er auf jeden Fall. Aber ich seh mir das jetzt selber an und schreibe dann einen knackigen Bericht. Das ist eine Sensation!«
    Ich schluckte eine scharfe Bemerkung zu seiner pietätlosen Einstellung hinunter, schließlich hatte er nicht unrecht: Nicht jeden Tag wurde ein rechter Politiker, den man erst noch ›den Scharfmacher‹ nannte, von afrikanischen Kriegern aufgespießt.
    »Das lass ich mir nicht entgehen.« Ich machte kehrt und rannte die Treppe hinunter.
    »Was?«
    »Ich komme auch dorthin.«
    José keuchte immer stärker. »Meld dich, wenn du da bist.«
    Als ich aus dem Haus rannte, sangen die Kinder immer noch dieses fürchterliche Lied.
    »… der Hahn ist tot, der Hahn ist tot …«, kreischten sie und lachten dazu.
    Mit einem Mal lief es mir eiskalt den Rücken hinunter.
     
    Während ich meinen hellblauen Käfer hangaufwärts durch den Kreis 6 zwang, rasselte es unter der Motorhaube des altersschwachen Wagens, als schüttle jemand erzürnt eine Blechbüchse voller Murmeln.
    Von gepflegten Bäumen gesäumte Straßen und hohe, abweisend wirkende Häuser verliehen dem Quartier etwas Ehrwürdiges, Nobles, die davor stehenden Autos waren blitzblank sauber und korrekt parkiert, die Balkone aufgeräumt und geschmackvoll bepflanzt. Hinter geschlossenen Gardinen waren immer wieder heimeliges Licht und der flackernde Schein von Fernsehern auszumachen. Doch obschon es ein milder Abend war, hielt sich niemand auf den großzügigen Grünflächen zwischen den Häusern auf, die Kinderspielplätze waren verwaist, keine Seele war auf den sauber gewischten Gehsteigen zu sehen. Mir war, als führe ich durch eine Geisterstadt, bis ich in einiger Entfernung den Widerschein des lautlos zuckenden Blaulichts an den Fassaden wahrnahm.
    Erst beim Einbiegen in die angegebene Straße wurde mir bewusst, welch gewaltiges Medieninteresse der Sensationsmord an dem Politiker bereits ausgelöst hatte und wie orkanartig die Neuigkeit wohl in den kommenden Stunden und Tagen landesweit verbreitet werden würde. Ich war mir sicher, dass das Schweizer Fernsehen bereits daran war, eilig einen bewegenden Rückblick auf Walter Grafs Leben zusammenzuschneiden, während eifrige Reporter pathetischen und im Glücksfall gar tränenreichen Kommentaren der Polit- und Cervelatprominenz nachjagten.
    Ich ließ den Käfer in einiger Entfernung stehen, da Schaulustige, Handys und Fotokameras über den Köpfen schwenkend, die gesamte Straße vor dem Haus blockierten, und drängelte mich mühselig durch die Menschenmasse bis ganz nach vorn.
    Das Domizil des Politikers, von außen ein eher gedrungenes, bieder wirkendes Einfamilienhaus, das aber – wie ich aus den Illustrierten wusste – nebst einem luxuriösen Interieur auch über einen Swimmingpool verfügte, war weiträumig mit rot-weißem Plastikband abgesperrt worden. Etliche Polizeiwagen und eine Ambulanz standen direkt vor dem Grundstück, das von dichten, mannshohen Thujabüschen gegen die Straße abgegrenzt wurde, drum herum hatten sich unzählige Übertragungswagen in Position gebracht. Mir war nur ein Bruchteil der Fernseh- und Radiostationen bekannt, deren Namen auf den Kastenfahrzeugen prangten, CNN und BBC fielen mir jedoch sofort auf. Der Fall war so spektakulär, dass man weit über die Landesgrenzen hinaus darüber berichtete.
    Es herrschte eine angespannte Stimmung, überall wuselten Leute mit Mikrofonen und Kameras umher. Irgendwo wurde eine TV-Lady laut, ihre Stimme schraubte sich schrill und anklagend aus dem unruhig summenden Geräuschteppich, bevor die Frau anscheinend besänftigt wurde.
    Offiziell war noch nichts verlautbar geworden. Ich hatte während der Fahrt Radio gehört, die Meldungen bestanden einzig aus Mutmaßungen.
    Natürlich waren weder Graf noch seine Partei als besonders fremdenfreundlich bekannt gewesen. Im Gegenteil, sie hatten stets mit harten Bandagen für ein verschärftes Asylgesetz und eine

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