Lichterfest
Fenster. Dann schüttelte sie langsam den Kopf. »Aber das ist jetzt viel schöner.« Sie setzte sich und sah mich erwartungsvoll an.
»Claire, ich will Ihnen nichts vormachen. Ich bin wegen Rosie hier.«
Sie schob mir einen Teller mit Keksen hin. »Mandelplätzchen, selbst gebacken.« Aufmunternd nickte sie mir zu, sodass mir nichts anderes übrig blieb, als eines der verlockend duftenden Plätzchen zu nehmen.
»Lecker«, bestätigte ich ihr, nachdem ich hineingebissen hatte. Dann zückte ich mein Notizbuch. »Claire, hat Rosie Ihnen gegenüber jemals etwas von einer Ferienwohnung oder einer Freundin erwähnt? Einen Ort, wo sie sich jetzt versteckt halten könnte?«
Claire überlegte nur kurz. »Nein, da bin ich ganz sicher. Sie hatte nicht vor zu verschwinden. Sie war glücklich, wie es schien. Oft hat sie von den Kindern ihrer Schwester erzählt. Sie hat sie über alles geliebt.«
Zugegeben, es war nur ein Grashalm gewesen, an den ich mich geklammert hatte. Es würde mir wohl nichts anderes übrig bleiben, als mir entweder Zugang zu Fernandos Krankenzimmer zu verschaffen und zu hoffen, dass sich Rosie gerade dort befand, oder dann vor dem Spital auf sie zu warten. So oder so würde ich viel Zeit verlieren. Und gerade Zeit war etwas, das ich nicht hatte, denn Blanchard wollte in wenigen Stunden Resultate sehen.
Claire hatte sich erhoben und war zum Kühlschrank getippelt, nun kam sie zurück und legte stolz lächelnd ein Foto vor mich hin. Auf Anhieb erkannte ich die beiden Jugendlichen darauf, auch wenn sie damals noch etwas jünger gewesen waren.
»Fernando und Antonia«, sagte Claire zärtlich und strich über das Bild. »Rosa hat mir das Bild geschenkt.« Sie blickte mich an und plötzlich verdüsterten sich ihre Gesichtszüge.
»Was ist?«
Claire wirkte verwirrt, zitterig zog sie den Stuhl heran und setzte sich nah zu mir hin. »Ich habe ihn gesehen.«
»Wen?«
»Fernando!«
»Wann?«
Sie legte die Hand an die Stirn und grübelte. »Am Samstagabend muss das gewesen sein. Ich hatte Käseschnitten gemacht … aus dem alten Brot …« Sie starrte wieder aus dem Fenster.
»Claire …«
»Der Graf ist ihm nachgeschlichen.«
»Wem?«
Empört reckte Claire den Hals. »Hören Sie mir überhaupt zu, junger Mann? Fernando natürlich!«
Ruckartig richtete ich mich auf und fasste ihre Hände, worauf sie erschrocken zusammenzuckte. »Graf hat Fernando verfolgt?«
Sie musterte mich misstrauisch und zog ihre Hände zurück. »Am Samstagabend, ich stand am offenen Fenster. Ich musste lüften, die Käseschnitten … sonst stinkt es noch tagelang. Appenzeller habe ich genommen, der ist besonders …«
»Claire!«
»Er hat rumgeschrien.«
»Graf?«
»Nein. Fernando! Ich sah ihn die Straße hochkommen, er war ganz verschwitzt. Ich dachte noch, warum will er zu mir, doch er ist direkt zu den Grafs gerannt. Zuerst war alles still, aber nach wenigen Minuten hörte ich ihn herumschreien. Er hat richtig gebrüllt, er war außer sich. Die haben ihn wohl gar nicht erst reingelassen, deshalb war das auch ringsum zu hören.«
»Haben Sie etwas verstanden?«
Claire wiegte den Kopf. »Ich höre nicht mehr so gut. Aber ich glaube er hat gesagt, Graf sei ein Schwein. ›Der Mann ist ein Schwein‹, genauso hat er es gesagt.« Sie lächelte peinlich berührt.
»Und weiter?«
»Und seine Karriere sei am Ende.« Sie zögerte. »Dafür werde er sorgen.«
Hatte Fernando die Bilder gesehen? Naheliegend war es, seine Tante wohnte ja nebenan. Ist er deshalb noch am gleichen Tag zu Graf gerannt? Um ihn zu beschimpfen und zu bedrohen? Er war jung und ungestüm dazu. Zudem hatte er die Verantwortung für seine Schwester. Er benimmt sich manchmal wie mein Vater, hatte Antonia geklagt. Der einzige Mann im Haus, nach den Worten seiner Mutter.
»Was geschah dann?«
»Alles ging ziemlich schnell. Fernando stürzte auf die Straße und rannte davon, kurz danach eilte ihm Graf mit seinem Mantel und dem Hut hinterher.«
»Trug er einen Schal?«
»Ja, woher wissen Sie das? Ich fand das ziemlich merkwürdig. Der Graf verlässt das Haus mit einem Schal, sodass man sein Gesicht überhaupt nicht sehen konnte. Und dann auch noch mit einem Frauenschal. Lilafarben. Ich hab es gesehen, als er unter der Straßenlaterne hindurchging. Wie kann man nur, also wirklich.« Sie schüttelte den Kopf.
»Hatte Fernando etwas dabei? Eine Tasche vielleicht? Haben Sie etwas gesehen?«
»Nein, mir ist nichts aufgefallen.«
»Keinen
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