Lichterfest
wie Maike nicht einmal das Nötigste trug, rollte mit den Augen und schüttelte den Kopf. Dann suchte sie ihre in alle Windrichtungen verteilten Kleider zusammen und verzog sich mit einem zerknitterten Bündel Textilien ins Wohnzimmer.
Immerhin wusste ich jetzt, dass sie niemals ein Mann gewesen war, nicht einmal ein bisschen, doch selbst diese Information trug nicht wesentlich zu meinem Wohlbefinden bei.
Ich stöhnte, rieb mir die Stirn, die plötzlich schmerzhaft zu pochen begann, und schwang die Beine aus dem Bett. Gerade als ich mich im Bad verschanzen wollte, um dort in aller Ruhe abzuwarten, bis sich die Damen aus dem Staub gemacht hatten, klingelte es an der Wohnungstür. Ich tapste durch mein Büro, und nachdem ich rasch in ein Paar Hosen und ein herumliegendes T-Shirt geschlüpft war, öffnete ich vorsichtig die Tür und spähte durch den Spalt.
»Hallo Manju«, flüsterte ich mit tonloser Stimme, während sich mein Magen mit einem Mal wie ein Eisklotz anfühlte.
»Vijay … wegen gestern …«
»Können wir später darüber reden? Ich … habe gerade Kundschaft.« Ich lächelte so vertrauenerweckend, wie ich es in dieser Situation noch zustande brachte.
»Na gut, du findest mich im Laden.«
Erleichtert sah ich, wie sie sich langsam abwandte. Doch gerade als ich die Tür schließen wollte, drehte sie sich plötzlich um und kam mit schnellen Schritten zurück.
»Ich wollte nur sagen …«
»Mach’s gut, Kleiner, war echt geil. Wir sehen uns an der Bar. Vielleicht kann ich deinem Gedächtnis mit ein, zwei Drinks auf die Sprünge helfen.« Litsche zwinkerte mir anzüglich zu, während sie sich an mir vorbeidrückte. Dabei schwang die Tür ganz auf, und ich erstarrte zur Salzsäule. Ich wagte es weder mich umzuwenden noch Manju anzusehen, als ich hinter mir deutlich barfüßige Schritte auf dem Parkettboden vernahm.
Manjus Reaktion war unüberhörbar. » Bhaad mein jao , fahr zur Hölle!«, fluchte sie aufgebracht und rannte die Treppe hinunter.
»Manju! Jetzt warte doch, ich kann dir alles erklären! Es ist nicht so, wie du denkst«, rief ich ihr hinterher. Doch in dem Moment schmiegte sich die immer noch splitternackte Maike an mich, und in mir keimte der Verdacht, dass ich grundsätzlich zu viele Hollywoodfilme gesehen hatte. Denn es war nicht nur so, wie sie gedacht hatte. Es war noch viel schlimmer.
Nachdem ich etwas verfrüht – aber wie die Tradition zu Diwali es vorsah – meine Wohnung aufgeräumt und gründlich geputzt, ein heißes Bad mit wohlriechenden Ölen genommen und frische Kleider angezogen hatte, setzte ich mich an den Computer und trug im Internet einige überraschende Informationen zu Blanchard zusammen. Dann trieb mich der Hunger in den Kreis 5.
Indian Street Food hieß der kleine Take-away unweit Josés Wohnung, ein schmaler, länglicher Glaskasten, der an ein trockengelegtes Aquarium erinnerte, eingeklemmt zwischen eine zwielichtige Bar und die Boutique Bromelia, die Glitzerndes, Hochhackiges und Knappes feilbot. Der Schnellimbiss selbst verfügte über eine Ausgabe mit Schiebefenster wie bei der Post, doch was hier auf kleinster Fläche zubereitet wurde, war köstlichste südindische Küche. Ich hatte Kottu Roti bestellt, klein geschnittenes Fladenbrot mit würzigem Curry und gebratenem Ei vermischt, und wartete am einzigen, beinahe auf dem Gehsteig platzierten Stehtischchen auf das Essen, als José endlich auftauchte. Er bestellte das gleiche und zündete sich dann eine Zigarette an, während im Aquarium eifrig Brot zerhackt wurde.
»Was macht die Wohnung?«
»Ich räume auf. Work in progress, wie man heutzutage sagt«, nuschelte José mit der Fluppe im Mundwinkel.
»Ich muss mit dir reden.«
»Nüchtern?«
»Das hab ich nicht gesagt«, erwiderte ich.
José lehnte sich etwas vor und schnupperte. »Ich rieche nur Patschuli.«
»Das kommt vom rituellen Bad zu Diwali. «
»Schieß trotzdem los.«
»Was hast du mit den Fotos gemacht?«
»Welchen Fotos?«
»Stell dich nicht dumm. Die Fotos von Graf und Antonia.«
»Sie wurden mir geklaut. Hast du ja selbst mitbekommen.«
»Das war gestern, mein Lieber, die Fotos hast du aber am Freitag geschossen. Weshalb hast du sie nicht in der Gratiszeitung veröffentlicht? Die waren doch ein Knüller.«
José knurrte unwillig.
»Wie bitte?«
»Lass mich in Ruhe, du verdammter Schnüffler!«
Ich grinste und holte die beiden Aluschalen mit dem Essen an der Ausgabe ab.
»Nun?«
José stocherte in der Mahlzeit herum
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