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Lichterfest

Lichterfest

Titel: Lichterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
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Stadtplan, den ich während der Fahrt im Handschuhfach gefunden hatte. Der vage Gedanke von vorhin schien mir plötzlich gar nicht mehr so abwegig. Wenn ich richtig lag, würde ich die Fotos schon bald in meiner Hand halten.
    Ich stieg aus, zündete mir eine Zigarette an und ging die kurze Distanz zum Rothaus zu Fuß. An der Bushaltestelle vor dem Hotel, das sich in einem beeindruckenden Bau aus roten Ziegelsteinen an der umtriebigsten Ecke des Quartiers befand, lungerte wie immer ein Pulk verwahrlost aussehender Existenzen herum, die man liebend gern zu einer Vorher-Nachher-Behandlung bei einem dieser Frauenmagazine anmelden würde. Das hätte die dafür zuständigen Visagisten, Friseure und Stylistinnen vor wirklich knifflige Aufgaben gestellt.
    Eine junge Frau mit fettig aussehendem Teint und Pusteln im grünlichen Gesicht stellte sich mir wankend in den Weg, doch ehe sie mir ihr Tagesangebot an illegalen Substanzen herunterleiern konnte, hatte sie es auch schon vergessen. Mit offenem Mund und leerem Blick erstarrte sie mitten in der Bewegung, als wäre sie soeben von einer bösen Fee verwünscht worden. Ich ging ungerührt an ihr vorbei auf das Hotel zu.
    Mein Herz schlug mir vor Aufregung bis zum Hals, als ich vor dem Tor auf den Summer drückte und dann durch den Seiteneingang zum Empfang hochstieg. Atemlos brachte ich mein Anliegen vor, doch der Rezeptionist, ein älterer, hagerer Herr mit schlohweißem Haar, wiegte nur den Kopf. Selbstverständlich wusste er, was Fernando widerfahren war, nur schien ihn meine Theorie nicht sehr zu überzeugen. Erst auf mein inständiges Bitten hin gab er nach. Missmutig brummend griff er sich einen Schlüsselbund vom Brett und wies mich mit einer knappen Kinnbewegung an mitzukommen.
    Wir stiegen eine schmale Treppe hinunter, dann folgte ich ihm in einen düsteren Gang. Die Wände waren unverputzt, Harassen mit leeren Flaschen stapelten sich zu beiden Seiten des Korridors, aufgeschnittene und gebündelte Schachteln warteten darauf, entsorgt zu werden.
    Der Portier stieß eine dunkelrot gestrichene Tür auf und betrat den kargen Raum, der als Garderobe diente. Es roch ungelüftet. An den Längsseiten reihten sich Schließfächer aneinander, vor denen schmale Holzbänke verliefen. Sporttaschen und achtlos hingeworfene Kleidungsstücke lagen darauf, auf dem Boden entdeckte ich etliche Turnschuhe und ein Paar Slippers. Uns gegenüber befand sich ein Waschbecken, darüber hing ein halb blinder Spiegel, eine Neonröhre spendete flackriges Licht. Der Rezeptionist warf einen Blick auf die Liste, die er mitgebracht hatte, und ging dann zielstrebig auf einen der ebenfalls rot lackierten Spinde zu.
    »Hier«, brummte er, während er diverse Schlüssel ausprobierte, bis er den passenden gefunden hatte. »Fernando Hirts Schrank.«
    Hastig öffnete ich die Tür und durchstöberte den Inhalt. Ein weißes, frisch gewaschenes Hemd war sorgsam über einen Kleiderbügel gehängt, von einem seitlich angebrachten Haken baumelte eine schwarze Hose. Auf dem Boden des Schrankes befanden sich ein Paar schwarze Schuhe neben einem ebenfalls schwarzen, ziemlich großen Portemonnaie. Weiter hinten entdeckte ich ein Parfümflakon aus dem Supermarkt und ein Deodorant.
    Ich gab mir keine Mühe, meine Enttäuschung zu verbergen. Die Fotos waren nicht hier. Je länger ich darüber nachgedacht hatte, desto überzeugter war ich gewesen, dass die Bilder im Hotel Rothaus sein mussten. Das Studium des Stadtplans hatte dasselbe ergeben. Denn Fernando war zu Fuß bei den Grafs aufgetaucht, was bedeutete, dass er höchstwahrscheinlich mit der Straßenbahn bis zur nächstliegenden Haltestelle gefahren war. Von dort war er auch wieder ins Stadtzentrum zurückgekehrt. Zum Central, nahm ich an, und von dort mit dem Bus bis Militär-/Langstrasse. Direkt vor das Rothaus. Wahrscheinlich hatte er bemerkt, dass er verfolgt wurde, und wollte die heiße Ware so schnell wie möglich in Sicherheit bringen. Sein Spind im Keller seines Arbeitsortes wäre dazu ideal gewesen. Doch ich hatte mich geirrt.
    »Nichts gefunden?« Der Portier sah mich ausdruckslos an.
    »Wer hatte am Samstagabend Dienst?«
    »Müsste ich oben im Arbeitsplan nachschauen.«
     
    »Ja, er war kurz da.« So wie es sich anhörte, war Stefan, Jusstudent und Nachtportier im Hotel Rothaus, gerade beim Essen, doch seinem Schlürfen nach zu urteilen schien ihn mein Anruf dabei nicht zu stören. »Fernando kam hereingestürzt und wirkte gehetzt.«
    »Hat er etwas

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