Lichterfest
einbrechen? Ich habe wirklich Besseres zu tun.«
»Glaube ich nicht, aber es war einen Versuch wert. Sie wissen nicht zufälligerweise, wer es gewesen sein könnte?«
Er schüttelte den Kopf. »Woher sollte ich …« Er brach ab und sah mich plötzlich interessiert an. »Bei ihr wurde eingebrochen?«
»Man hat es versucht, der Täter wurde aber daran gehindert.«
»Es wurde also nichts entwendet?«
»Nein.«
Behutsam faltete er die Hände und legte sie auf das übergeschlagene Knie.
Wortlos starrten wir uns an.
»Weshalb wollen Sie die Fotos so dringend zurück?«
Blanchard zuckte mit keiner Wimper. »Woher wissen Sie davon?«
»Ich bin Detektiv, erinnern Sie sich?«
»Sie haben die Fotos gesehen?«
»Ich weiß, wer darauf zu sehen ist und was er dabei tut.«
Blanchard sah mich gespannt an. »Das wäre?«
»Walter Graf, wie er eine sehr junge Dame küsst.«
»Ach so.« Blanchard schien erleichtert, was mich etwas irritierte.
»Beim Fotografen der Aufnahmen wurde gestern ebenfalls eingebrochen.«
Blanchard hob wachsam den Blick. »Und?«
»Das gesamte Material mit den Fotos drauf wurde entwendet.«
»Verdammt!« Er ballte die eine Hand zur Faust und fuhr sich mit der anderen verärgert durchs Haar.
Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es aufgesetzt wirkte. »Dann existieren jetzt nur noch die ausgedruckten Aufnahmen?«, erkundigte er sich.
»Wenn Sie von der geklauten Ware absehen: ja«, erwiderte ich und verschwieg geflissentlich, dass Fernando Kopien davon erstellt hatte.
»Verraten Sie mir jetzt, weshalb Sie so scharf auf die Bilder sind?«
»Graf ist ein alter Freund von mir«, erklärte Blanchard nach kurzem Zögern. »Ich wollte nicht, dass sein Ansehen beschmutzt wird.«
»Ich glaube Ihnen kein Wort.«
»Hören Sie mal! So was muss ich mir nicht gefallen lassen! Wer ist hier der Auftraggeber? Sie oder ich?«
»Wer weiß, wo Rosie ist? Sie oder ich?«
»Sie verdammter Schnüffler!«
Ich grinste. »Danke. Ich sage Ihnen, wie es ist: Vielleicht waren Sie wirklich mit Graf befreundet, das kann sein. Zürich ist eine kleine Stadt und nicht nur Leute wie Sie laufen sich andauernd über den Weg. Aber ich habe recherchiert.«
»Was Sie nicht sagen!«
Ich holte die Ausdrucke mit den Angaben hervor, die ich am Morgen im Internet ausfindig gemacht hatte.
»Sie sind erst seit Kurzem zu neunundvierzig Prozent Mitinhaber der Holdinggesellschaft Swiss Living. Der wiederum gehören etliche Liegenschaften in der Stadt Zürich, unter anderem viele ältere, renovationsbedürftige oder sogar baufällige Objekte im Kreis 4 und der unbeliebten, da stark befahrenen Weststrasse.«
»Sensationell! Ein Anruf beim Grundbuchamt genügt, um an diese Informationen zu gelangen. Sie sind wirklich ein Talent.«
Unbeirrt fuhr ich fort: »Durch die Weststrasse wird zurzeit der ganze Transitverkehr geleitet, die Gegend wird regelrecht verpestet. Aber wenn die neu gebaute Westtangente eröffnet wird und der Verkehr dort durchdonnert, wird das Quartier praktisch verkehrsfrei sein. Eine Goldgrube, nicht?«
»Die Mieten sind spottbillig dort, wollen Sie mir das vorwerfen?«
»Noch! Danach werden Sie den jetzigen Mietern kündigen, die Häuser umbauen und sie zu horrenden Preisen weitervermieten.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Auf die anderen einundfünfzig Prozent der Swiss Living. Die gehören nämlich Walter Graf.«
»Und?«
»Walter Graf hat sich öffentlich stark gemacht für billigen Wohnraum in der Stadt.«
Blanchard wirkte plötzlich wieder angespannt. »Das war vor allem Alice, seine Frau.«
»Aber die Firma lief auf seinen Namen. Und sicherlich hat ihm das ganz unbeabsichtigt die eine oder andere Wählerstimme verschafft. Man war ja regelrecht entzückt über sein soziales Engagement, selbst wenn das hauptsächlich von seiner Frau ausging. Wäre er tatsächlich zum Stadtpräsidenten gewählt worden, hätte er sich wohl aus seinen Firmen zurückziehen müssen, um sich ganz seiner Aufgabe als Magistrat widmen zu können.«
»Und?«, fragte Blanchard gedehnt.
»Um es kurz zu machen: Ich vermute, er hätte Ihnen still und heimlich seine Anteile an der Firma überschrieben. Deswegen hatten Sie größtes Interesse, dass Graf gewählt wurde. Sie selbst haben vermutlich angeordnet, dass ihm so viel Platz in Ihrer Zeitung und den Illustrierten eingeräumt wird, dass er so penetrant als Retter des Landes bejubelt wurde. Hätte er die Wahl gewonnen, hätten Sie sich dumm und dämlich verdient
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