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Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte

Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte

Titel: Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kuehnemann Nadine
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zu unterscheiden.
    Jil warf mit einer Hand voll Dreck nach einem Eichhörnchen, das neugierig von seinem Baum herunter gekommen war und den Störenfried aus schwarzen Knopfaugen beobachtete. »Verschwinde, du Mistvieh.« Jils grenzenloser Hass auf sich selbst kostete sie jeden klaren Gedanken. Sie ließ sich rücklings auf den Rücken fallen und richtete den Blick nach oben. Die dichten Baumkronen raschelten im Wind. Die Zeit schien einfach nicht zu vergehen. Ihr kam es vor, als läge sie schon seit Stunden hier.
    Das habe ich nun von meinem Egoismus. Ein schönes Leben in Saus und Braus ist einen frühen Tod einfach nicht wert. Wenn doch nur Cryson hier wäre. Ich würde ihm rechts und links eine Ohrfeige verpassen und ihm sagen, er könne sein dummes Artefakt alleine suchen.
    Jils schweißnasse Kleidung war mittlerweile getrocknet, aber sie fror trotzdem. Der Waldboden war kühl, die Sonne drang nur selten durch das dichte Blattwerk.
    Es hat keinen Sinn, hier zu versauern. Ich gehe zurück und stelle mich den Wachen. Und wenn ich bis dorthin kriechen muss. Das war’s. Mission gescheitert.
    Jil drehte sich auf den Bauch und stemmte die Ellenbogen in den Boden. Gerade wollte sie sich aufsetzen, als ein Geraschel und Geschmatze ihre Aufmerksamkeit erregte. Die Blätter eines nahe gelegenen Holunderstrauchs bewegten sich, dann kam eine lang gestreckte Schnauze mit zwei riesigen Zähnen zum Vorschein.
    Scheiße .
    Die Wildsau blieb stehen und reckte die Nase in die Luft, als wolle sie eine Witterung aufnehmen. Jil fuhr der Schreck durch die Knochen, augenblicklich zitterte ihr ganzer Körper.
    Ruhig liegen bleiben. Das ist das Beste .
    Die Wildsau näherte sich. Plötzlich fiel sie in einen schnellen Trab, senkte den gewaltigen Schädel und raste auf Jil zu.
    Jil hatte mit dem Leben bereits abgeschlossen. Sie schloss die Augen in Erwartung eines langsamen und schmerzhaften Todes, als ein Knall durch die Luft gellte. Die Wildsau quietschte und schrie, dann hörte Jil einen dumpfen Aufprall. Als sie die Augen wieder öffnete, lag das Tier zwei Yards von Jil entfernt auf dem Boden, alle Hufe von sich gestreckt. Jils Herz klopfte in einem schnellen Rhythmus, ihr Atem war flach und stockend. Erleichterung und Freude mischten sich zaghaft unter das Gefühl von Panik und Verzweiflung. Sie lebte. Sie wusste zwar nicht, weshalb, aber sie lebte.
    Dann trat ein Beinpaar in ihr Blickfeld. Jil lag noch immer bäuchlings auf dem Waldboden. Die Person trug derbe Lederschuhe und eine an den Seiten geschnürte passende Lederhose. Langsam hob Jil den Blick. Zwei Arme hingen schlaff neben dem Körper herab, in einer der riesigen Hände lag eine Pistole. Eine schwarze hüftlange Jacke bedeckte den Oberkörper der Person, die Jil eindeutig als männlich identifizierte. Ein kräftiger Hals ragte zwischen zwei breiten Schultern auf, darüber ein kantiges Gesicht mit breitem Kiefer. Eine hässliche Narbe zog sich quer über seine linke Gesichtshälfte, vom Kinn bis hinauf zur Schläfe. Sein Mund war durch die Verhärtung etwas verzogen, die Lippen aber waren voll und sinnlich. Ein stechend blaues Augenpaar sah auf sie hinab, der Blick emotionslos. Schwarze kinnlange Haare umrahmten sein markantes Gesicht.
    »Danke, dass Sie mir das Leben gerettet haben«, sagte Jil. »Ich bin mit dem Fuß in ein Loch getreten, ich kann nicht mehr laufen.« Der Mann gab lediglich ein leises Knurren von sich. Jil behagte die Situation nicht. Der Kerl sah nicht so aus, als gehöre er zur Stadtwache, aber für einen Adligen war sein Benehmen zu schlecht und sein Aussehen zu unkultiviert.
    Für die Dauer mehrerer Atemzüge sah er sie bloß an, kein Muskel seines Körpers bewegte sich. Dann beugte er sich zu ihr hinab, packte sie unter den Achseln und hob sie auf wie eine Puppe. Jil wehrte sich nicht, der betäubende Schmerz in ihrem Fuß hätte jede Flucht ohnehin unmöglich gemacht.
    »Sind Sie der Henker von Falcon’s Eye?« Eigentlich war die Frage nicht als Scherz gemeint, obwohl sie Jil schon peinlich war, als sie noch nicht ganz heraus war. Trotzdem gab der fremde Mann ein amüsiertes Schnauben von sich.
    Er trug sie kreuz und quer durch den Wald, bis das Gelände allmählich anstieg.
    Der Tempel. Weshalb bringt er mich dorthin? Soll er mich doch den Soldaten ausliefern .
    Plötzlich überkam Jil eine böse Vorahnung. Eine Frau allein im Wald, ein ungehobelter Kerl und nirgends jemand, der ihre Schreie hören könnte. Er würde es doch wohl nicht

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